Ich arbeite für das Stadtmarketing Gütersloh und als freie Journalistin in den Bereichen Wohnen, Design und Architektur. Ich bin verheiratet und habe einen Sohn. Außerdem bin ich stolzes Frauchen von Emil und Kalle, unseren Blogdackeln. Mode und Kosmetik sind für mich die schönsten Nebensachen der Welt. Eine weitere große Leidenschaft ist das Tanzen. Ich lese sehr gerne und bin leidenschaftliche Theater- und Museumsbesucherin.
Ich liebe den Herbst, denn dann kommen wieder jede Menge literarischer Neuheiten in die Buchhandlungen. Und wenn es draußen kühler wird, finde ich es einfach wunderbar, mit den unterschiedlichsten Lektüren auf dem Sofa zu sitzen. Dieses Mal dabei: Die Töchter von Thomas Mann, ein vergessenes Schtetel, Action-Szenen der Weltliteratur, Marlene Dietrich und Erich Maria Remarque, Zelda Fitzgerald und ein literarisches Portrait über Magda Goebbels. von Sybille
1. Annette Seemann: Die Töchter des Zauberers
Schon wieder die Manns! Annette Seemann hat mit „Die Töchter des Zauberers“, erschienen bei Ebersbach & Simon, eine glänzend recherchierte Biografie der drei Mann-Töchter geschrieben, die mich häufig fassungslos machte. Die Kindererziehung von Katia und Thomas Mann war von großer Distanz geprägt. Katias „Kinderbücher“ gleichen wissenschaftlichen Beobachtungen. Am schlimmsten wurde Monika behandelt, die mit ihrer weiblichen Attitüde nicht in die Vorstellungen der Familie passte. In Katia Manns Erinnerungsbuch „Meine ungeschriebenen Memoiren“ fällt ihr Name kein einziges Mal. Sie ging jedoch ihren Weg und fand – nach einer Schiffs-Katastrophe, bei der sie ihren innig geliebten Mann verlor und kurz davor war in Depressionen zu versinken – ihren Weg nach Capri, wo sie zurückgezogen lebte. Monika schrieb, wie alle Mitglieder der Familie und konnte auch davon leben. Im Übrigen war sie das einzige Mann-Kind, das nicht von Drogen oder Medikamenten abhängig war. Erika ging ihren Weg als Kabarettistin und Schauspielerin, aber auch als Unterstützerin und Nachlassverwalterin ihres Vaters und ihres Bruders Klaus. Die jüngste (und Lieblings-)Tochter Elisabeth war Konzertpianistin, erfand sich im mittleren Alter völlig neu, wurde Meeresbiologin, Umwelt- und Friedensaktivistin. Sie fühlte sich von Anfang an geliebt und lebte ein durchaus zufriedenes Leben.
Was wäre, wenn es ein jüdisches Schtetl (jiddisch Städtlein) gäbe, das vom Zweiten Weltkrieg und Holocaust verschont geblieben ist? Diese Frage stellt sich das wunderbare Buch „Das vergessene Schtetl“ mit unwiderstehlichem Humor. Die Geschichte, die sich aus der Wiederentdeckung des kleinen Dorfes entwickelt, hat mich auch durch die aktuellen Bezüge überzeugt – was zwischendurch wirklich beängstigend ist. Zur Geschichte: Das kleine Dorf Kreskol liegt versteckt irgendwo in Polen und blieb jahrzehntelang unberührt von der Außenwelt. Es gibt keine Autos, Strom, Sanitäranlagen oder gar das Internet. Dann begehrt eine Ehefrau auf. Sie verlässt ihren Ehemann und verschwindet aus dem Dorf. Die Ältesten schicken den Außenseiter Jankel Lewinkopf los, um sie zu finden. Der unbedarfte Jankel findet sich in der modernen Welt wieder, wo er zunächst für verrückt gehalten und in die Psychiatrie eingewiesen wird. Schließlich glaubt man ihm doch. Das Dorf Kreskol wird von der Welt entdeckt und stürzt mit einem Schlag und allen Konsequenzen ins 21. Jahrhundert. Eine wunderbare Mischung aus Liebesgeschichte und ein bisschen Krimi, die auch jede Menge lehrreiche Zeitgeschichte vermittelt. „Das vergessene Schtetl“ ist im Katapult Verlag erschienen.
Absolute Leseempfehlung: „Die Töchter des Zauberers“ und „Das vergessene Schtetel“
3. Elizabeth Foley: Was würde Frida tun?
Das Buch „Was würde Frida tun“ steht schon etwas länger in meinem Bücherschrank, doch ich habe es erst jetzt gelesen. Daher ist es auch leider nur noch als ebook bei Penguin erhältlich. Es versammelt die Lebensgeschichten von sehr prominenten und auch weniger bekannten Frauen, die man allesamt als „Powerfrauen“ bezeichnen könnte. Darunter sind Frida Kahlo, Dorothy Parker, Kleopatra, aber auch Margarete Steiff, Annemarie Schwarzenbach oder die Kriegerin Boudicca; die Kurzbiografien stehen jeweils unter einem eigenen Motto. Anhand der Lebenserfahrungen und der mentalen Haltung der Frauen könnt Ihr Inspirationen für das eigene Leben gewinnen. Das Ganze ist sehr unterhaltsam geschrieben, teilweise etwas flapsig. Ich würde mich jetzt nicht zur Zielgruppe zählen, aber für Teenager-Töchter bietet es jede Menge guten, unterhaltsamen Lesestoff und die Möglichkeit, sich mit weiblichen Heldinnen zu befassen, deren Lebensläufe als Vorbilder für das eigene Leben durchaus bestärkend wirken können.
4. Zelda Fitzgerald: Himbeeren mit Sahne im Ritz
Über die Beziehung der Fitzgeralds habe ich schon einiges gelesen (zum Beispiel hier) und natürlich habe ich fast alle Bücher von Scott F. Fitzgerald verschlungen. „Himbeeren mit Sahne im Ritz“ ist mein erstes Buch von Zelda. Ich war sehr gespannt, ihre eigenen Erzählungen kennenzulernen, denn Scott F. nutzte ihre Ideen bekanntermaßen für seine eigenen Werke – er „stahl“ sie aus ihren Tagebüchern oder Briefen. Etliche ihrer Erzählungen wurden sogar unter seinem Namen veröffentlicht. Leider hat mich Zelda aber nicht ganz überzeugt. Ihre Erzählungen erwecken das Flair der 20er Jahre zum Leben. Aber die Handlungen bleiben an der Oberfläche ebenso wie die beschriebenen Frauen. Diese übertreten häufig Grenzen, um zu provozieren, aber echte Gefühle scheint es nicht zu geben. Alles bleibt flatterhaft und vergänglich, was mir mit der Zeit etwas langweilig wurde, zumal die Geschichten manchmal recht schablonenhaft wirken. Die Formulierungen und die Sprachkunst von Zelda jedoch sind großartig. Nur ein Beispiel aus „Die erste Revuetänzerin“: „Ihre Kleider und Juwelen waren von ausgezeichneter Qualität, schmückten sie jedoch nur oberflächlich wie Lametta und Kugeln einen Weihnachtsbaum.“ Wirklich gut gefallen hat mir „Unsere Leinwandkönigin“ – eine böse Satire auf die Provinz. „Himbeeren mit Sahne im Ritz“ ist im Verlag Manesse erschienen.
5. Delius, Reichwein (Hg.): 111 Action-Szenen der Weltliteratur
Von Dichterinnen und Dichtern habe ich ja immer diese romantische Vorstellung, dass sie gedankenverloren an ihren Arbeitsplätzen sitzen und mit der Feder in der Hand ihre tiefgründigen Gedanken auf’s Papier bzw. in den Computer bringen. Die Sammlung „111 Action-Szenen der Weltliteratur“ (Grundlage ist die Serie „Actionszenen der Weltliteratur“ in der Literarischen Welt der Zeitung WELT) hat mir gezeigt, dass das ganz und gar nicht der Fall ist. Im Ernst – wie konnte ich auch so eine völlig abwegige Idee von einem Dichterleben haben? Auch diese sind in den Krieg gezogen, mit dem Flugzeug notgelandet oder wurden vom Bären gebissen. Letzteres passierte übrigens Leo Tolstoi. Und der Dichter mit den Bruchlandungen ist natürlich St. Exupéry. Diese und noch viel mehr sehr informative und unterhaltsame Geschichten findet Ihr in dieser feinen Sammlung. Es geht natürlich nicht nur um die Action-Szenen, auch die Lebensumstände werden geschildert. In Zeichnungen festgehalten wurden die Abenteuer von Paul Fretter. „111 Action-Szenen der Weltliteratur“ ist in der aufwändig gestalteten Reihe „Die andere Bibliothek“ im Aufbau Verlag erschienen.
6. Thomas Hüetlin: Man lebt sein Leben nur einmal
Ich bin immer wieder fasziniert, wer der Schauspielerin Marlene Dietrich alles verfallen waren. Von Regisseur Fritz Lang über Schauspieler wie Jean Gabin oder James Stewart (Ja, der biedere James Stewart!), aber auch John F. Kennedy – ganz zu schweigen von ihren Affären mit diversen Frauen. Auch mit Erich Maria Remarque hatte sie eine (wenige Jahre dauernde) Liebesaffäre. Beim Kennenlernen während der Filmfestspiele in Venedig im Jahr 1937 verliebten sie sich auf den ersten Blick. Später waren sie wie viele andere auf der Flucht vor den Nazis, pendelten zwischen Paris, Ancona, New York und Beverly Hills. Remarque auf der Suche nach neuen Romanstoffen nach seinem Welterfolg „Im Westen nichts Neues“, Marlene Dietrich auf der Suche nach Filmrollen und Anerkennung. Remarque folgte Dietrich nach Amerika. Er hoffte auf Liebe, sie auf einen Filmstoff, den er ihr auf den Leib schreibt. Als Quelle für „Man lebt sein Leben nur einmal“, erschienen bei Kiepenheuer & Witsch, dienten Hüetlin die Briefe Remarques und Dietrichs, die von Liebe aber auch jeder Menge Wut künden. Die Liebesgeschichte bettet er in den geschichtlichen Zusammenhang ein, daher bietet das Buch Euch neben der Lovestory und Hollywood-Gossip auch viel Information zur Zeitgeschichte.
Enttäuscht: Nora Bossong: Reichskanzlerplatz
Magda Quandt war Hitlers Vorzeigemutter. Nora Bossong thematisiert in „Reichskanzlerplatz“, erschienen bei Suhrkamp, ihr Leben zwischen 1919 und 1945. Der Roman ist allerdings keine biografische Schilderung, sondern ein literarisches Portrait aus Sicht des fiktiven Erzählers Hans Kesselbach. In der Schule freundet dieser sich mit Hellmut Quandt an, dem Sohn des wohlhabenden, einflussreichen Industriellen Günther Quandt. Hellmuths sehr junge Stiefmutter ist Magda, die später Joseph Goebbels heiraten wird. Hans ist homosexuell und pflegt, um der Strafverfolgung zu entgehen, auch Kontakte zu Frauen. Als die Ehe zwischen Günther und Magda in die Brüche geht, wird Hans ihr Geliebter. Nach der Scheidung von Quandt lebt Magda in einer herrschaftlichen Wohnung am Reichskanzlerplatz. Sie ist gelangweilt, lernt Goebbels kennen und findet in den Ideologien der Nazis einen Lebenssinn. Die Geschichte wendet sich dann dem weiteren Lebensweg von Hans zu und nimmt weit mehr Raum ein als notwendig. Zudem ist seine Geschichte zerfasert und die Schilderung der Charaktere bleibt an der Oberfläche. Warum der Roman auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis stand, hat sich mir nicht erschlossen.
Liebe Sybille, vielen Dank für diese wie immer differenzierte Buchvorstellung. Ich habe noch nichts von Zelda Fitzgerald gelesen, nur ein bisschen was von dem schlechten Umgang ihres Mannes mit ihr und ihrem Werk und fand deine ehrliche Einschätzung des Buchs vor diesem Hintergrund, bei dem ja ein bisschen die Gefahr besteht, dass sie nun als posthum-Reaktion darauf zum verkannten, unterdrückten Genie hochstilisiert wird, sehr interessant. Vielleicht werde ich es mir trotzdem bei Gelegenheit schon um des von dir gelobten Sprachstils wegen mal anschauen. Auf jeden Fall insgesamt wieder tolle Anregungen!
Liebe Hanna, es freut mich sehr, dass Dir meine Buchvorstellungen gefallen haben. Und ja – von Zelda Fitzgerald war ich wirklich ein wenig enttäuscht. Aber eine Lektüre lohnt sich vor allem, um sich ein eigenes Bild von ihr zu machen.
Viele Grüße und viel Freude beim Lesen
Sybille
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Liebe Sybille, vielen Dank für diese wie immer differenzierte Buchvorstellung. Ich habe noch nichts von Zelda Fitzgerald gelesen, nur ein bisschen was von dem schlechten Umgang ihres Mannes mit ihr und ihrem Werk und fand deine ehrliche Einschätzung des Buchs vor diesem Hintergrund, bei dem ja ein bisschen die Gefahr besteht, dass sie nun als posthum-Reaktion darauf zum verkannten, unterdrückten Genie hochstilisiert wird, sehr interessant. Vielleicht werde ich es mir trotzdem bei Gelegenheit schon um des von dir gelobten Sprachstils wegen mal anschauen. Auf jeden Fall insgesamt wieder tolle Anregungen!
Liebe Hanna, es freut mich sehr, dass Dir meine Buchvorstellungen gefallen haben. Und ja – von Zelda Fitzgerald war ich wirklich ein wenig enttäuscht. Aber eine Lektüre lohnt sich vor allem, um sich ein eigenes Bild von ihr zu machen.
Viele Grüße und viel Freude beim Lesen
Sybille