Sybilles Bücherschau: Drei besondere Gedichtbände
Sybille

Achtung, eine Premiere auf dem Lady-Blog: Wir stellen Euch drei besonders schöne Gedichtbände vor! Gedichte sind ein wunderbares Ausdrucksmittel für Emotionen und können komplexe Themen auf kreative und sehr ästhetische Weise behandeln. Kurt Tucholskys „Auf tausend Straßen“, Masha Kalékos „Wir haben keine andre Zeit als diese“ und das „Unterwasser-Cabaret“ von Curt Bloch sind ein wunderbarer Einstieg in die Welt moderner Gedichte. von Sybille

Ein Hoch auf Lyrik!

Ich liebe Gedichte und lese sie eigentlich viel zu wenig. Sie schulen den eigenen Ausdruck ganz exzellent. Eine meiner Freundinnen liest jeden Tag Gedichte und ihre wunderbare Art zu schreiben, sich auszudrücken und immer die passenden Worte zu finden, führe ich auch auf ihre tägliche Gedichtlektüre zurück. Also: Lest mehr Gedichte!

 

1. Kurt Tucholsky: Auf tausend Straßen

Augen in der Großstadt
Wenn du zur Arbeit gehst
Am frühen Morgen,
wenn du am Bahnhof stehst
mit deinen Sorgen:
da zeigt die Stadt
dir asphaltglatt
im Menschentrichter
Millionen Gesichter:
Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,
die Braue, Pupillen, die Lider –
Was war das? vielleicht dein Lebensglück…
vorbei, verweht, nie wieder.

Mit Auf tausend Straßen, einer Zusammenstellung von Kurt-Tucholsky-Texten und -Gedichten, feiert der Goya Verlag seinen 135. Geburtstag. Tucholskys ironische und dabei pointierte Texte haben mich immer schon sehr beeindruckt. In diesem Band finden sich die unterschiedlichsten Texte des Schriftstellers, der auch unter den Pseudonymen Theobald Tiger, Peter Panter oder Ignaz Wrobel schrieb. Wundervolle Illustrationen von Stefanie Harjes begleiten die Texte.

2. Curt Bloch: Das Unterwasser-Cabaret

Der Weg zur Wahrheit
Mein liebes deutsches Publikum
Du willst die Wahrheit wissen,
Du merkst, Herr Goebbels hält dich dumm,
Du wirst von ihm be…trogen.
Du merkst es, wie dich hintergeht
Und dich betrügt die Leitung,
Die Wahrheit wird entstellt, verdreht
Und kommt so in die Zeitung…

Der Verlag Die Andere Bibliothek hat es sich zur Aufgabe gemacht, besondere Bücher mit hoher Sorgfalt und Qualität herauszugeben. Das ist auch beim Unterwasser-Kabarett der Fall, der, wie der Verlag sagt, „ersten Buchausgabe des vielleicht spannendsten Funds seit Victor Klemperers Tagebüchern.“ Der deutsch-jüdische Autor Curt Bloch verfasste in seinem niederländischen Versteck ab August 1943 Gedichte für sein persönliches Satiremagazin „Het Onderwater-Cabaret“. Seine Themen: die Lügen und Verbrechen der Nazis, seine Situation, das Schicksal seiner Familie, aber auch die Lage des deutschen Volkes. Die Deckblätter gestaltete Bloch aus den wenigen Materialien, die ihm im Versteck zur Verfügung standen (Zeitungsausschnitte, Fotos) und schuf so ein außergewöhnliches, künstlerisch und politisch beeindruckendes Gesamtkunstwerk. Hier könnt Ihr detailliert die Geschichte von Curt Bloch nachlesen.

Mascha Kaléko: Wir haben keine andre Zeit als diese

Das „Mögliche“
Ich habe mit Engeln und Teufeln gerungen,
genährt von der Flamme, geleitet vom Licht,
und selbst das Unmögliche ist mir gelungen,
aber das Mögliche schaffe ich nicht.

Mascha Kaléko bringt Dinge in Wir haben keine andre Zeit als diese so unglaublich gut auf den Punkt, dass ich bei jedem ihrer Gedicht bestätigend nicke und denke: „Ja, genau so ist es!“ Schon als junge Dichterin der neuen Sachlichkeit feierte Kaléko Erfolge. Mit der Übernahme der Regierung durch die Nazis fand ihre Karriere ein jähes Ende. Sie emigrierte mit ihrer Familie in die USA, später nach Israel und schrieb dabei immer wieder über ihre Flucht, das Exil und wie man überlebt. Immer leichtfüßig, mit viel Witz und einer leichten Melancholie im Hintergrund.

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3 Kommentare
  • Dani sagt:

    Liebe Sybille,

    vielen Dank für diesen Anstoß! Mal abgesehen von Kästners Gedichten habe ich auch schon lange keine Lyrik mehr gelesen. Gerade gestern haben wir im Buch-Club darüber debattiert, dass der deutsche Wortschatz immer mehr schrumpft (im Gegensatz zum englischen?) und wir alle die immer gleichen Wörter nutzen. Ich fasse mich hiermit an die eigene Nase und gelobe mehr Gedichte zu konsumieren!

    Herzlichst, Daniela

  • Sybille sagt:

    Liebe Dani,

    wie schön, wenn diese drei wunderbaren Bücher Dir einen kleinen Schubs in Richtung Gedichte gegeben haben. Was die Buchclub-Debatte angeht: Es mischen sich halt auch immer mehr englische Begriffe in die deutsche Sprache und so wunderbare Wörter wie „Augenweide“ gehen verloren. Aber diese Diskussionen gab es in meinem Schulunterricht auch schon. Sprache ist lebendig und entwickelt sich immer weiter.

    Herzliche Grüße
    Sybille

  • Hanna sagt:

    Ich finde die Gedichte von Mascha Kaléko so wunderbar und habe bereits mehrere ihrer Gedichtbände, seit mir meine Großmutter vor Jahren eines ihrer Büchlein geschenkt hat. So nahbar, zeitlos-modern im Alltag verhaftet (auch wenn sie teilweise ja fast 100 Jahre alt sind….) und dabei herrlich melancholisch-ironisch und lebensklug. Da werde ich direkt mal recherchieren, ob die vorgestellte Sammlung “nur” eine Neuzusammenstellung ist oder das eine oder andere Gedicht beinhaltet, das ich noch nicht kenne;)
    Liebe Grüße, Hanna

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