Verzicht als Mehrwert: Weniger haben ist der neue Luxus!
Dani

Wer nachhaltig leben möchte, der muss vor allem eines: verzichten! So lautet zumindest die Kritik derjenigen, die sich gegen Verzicht und Einschränkungen wehren. In unserer von Überfluss und Konsum geprägten westlichen Welt scheint der Gedanke an Verzicht durchaus paradox. Und doch kann dieser etwas ganz Wunderbares sein, er kann Euch helfen innerlich und äußerlich aufzuräumen, aufzuatmen. Nicht Vieles zu haben ist Luxus, sondern Weniges, Gutes zu besitzen! Wir möchten diese Woche unter dem Motto “Weniger ist mehr” tiefer in das Thema mit Euch eintauchen.

Was ist eigentlich Verzicht?

In der Alltagssprache meinen wir mit “Verzicht” in der Regel, dass wir etwas nicht mehr tun (dürfen), obwohl die Möglichkeit dazu besteht. Wir entsagen – freiwillig oder meistens eher unfreiwillig. Wir können uns etwas nicht mehr leisten, unser Arzt hat uns nahegelegt kein Fleisch mehr zu essen, im Büro ist neuerdings Instagram verboten und zudem bietet die Firma keine Flugreisen mehr an. So ein Mist? Nicht unbedingt! Diese Einschränkungen können uns so gut tun! Wir kaufen nicht das hundertste Kleidungsstück, das dann ein trauriges Dasein im Schrank fristet, uns geht es besser, weil wir uns gesünder ernähren, wir sind weniger gestresst, weil wir weniger Zeit am Handy verbringen und wenn wir für die Konferenz nicht ins Ausland fliegen, sondern daheim am Bildschirm teilnehmen, bleibt uns mehr Zeit mit den Menschen und Dingen, die uns wirklich wichtig sind. Wir müssen uns also fragen: Was steht uns als Menschheit eigentlich zu? Aber auch: Was benötige ich persönlich für ein gutes Leben? Vielen von uns ist klar, dass weniger Konsum nicht nur gut für die Umwelt sondern auch für uns selbst ist, und doch fällt der Verzicht zunächst schwer.

Weniger ist mehr Luxus!

Verzicht ist die bewusste Entscheidung, bestimmte Dinge loszulassen, um Platz für’s Wesentliche zu schaffen

Warum fällt uns Verzicht so schwer?

1. Veränderung fällt uns schwer: Mit Veränderungen tun wir uns grundsätzlich schwer. Das liegt vor allem daran, dass wir einen Großteil unseres Alltags mit Routinen verbringen. Unser Gehirn kann so Energie sparen und hat Reserven für den Notfall. Routinen erleichtern jedoch auch den Alltag, weil wir nicht nachdenken müssen. Bestimmt habt Ihr es schon einmal gehört: Um eine neue Gewohnheit zu etablieren – eine gesündere Ernährung oder mehr Sport treiben –  benötigen wir 30 bis 60 Tage*. In dieser Zeit beanspruchen wir dementsprechend einen höheren Energieaufwand.

2. Gegenwartsverzerrung: Wir gewichten das Hier und Jetzt höher, als das, was uns in der Zukunft erwartet: Wenn ich heute im Restaurant kein Fleisch bestelle, bringt mir das in der Zukunft vielleicht mehr Gesundheit – aber das ist noch so weit weg und ich habe jetzt Appetit darauf! Es gibt zahlreiche Experimente, in denen Teilnehmerinnen angeboten wird, jetzt auf zehn Euro zu verzichten und dann dafür zu einem späteren Zeitpunkt 20 Euro zu bekommen.** Es wäre logisch zu verzichten – doch das hat bei weitem nicht jede und jeder getan. Denn je weiter entfernt ein möglicher Gewinn in der Zukunft liegt, desto schwerer fällt es uns, die Einschränkung in der Gegenwart in Kauf zu nehmen.

3. Verlustangst: Sie zeigt sich, sobald die Möglichkeit besteht, dass wir künftig etwas nicht mehr haben. Ihr kennt das vielleicht vom Kleiderschrank ausmisten: Sobald wir uns von Stücken trennen sollen, fallen uns wieder zahlreiche Gelegenheiten ein, zu denen wir sie tragen möchten (auch wenn wir es jahrelang nicht getan haben). Sobald wir Dinge besitzen, binden wir uns an sie. Wir möchten lieber nichts verlieren, als das wir etwas gewinnen könnten.

4. Wachstumsparadigma: Verzicht steht im Widerspruch zu unserer Kultur mit ihrem Wachstumsparadigma. Es gibt kein Genug, wir dürfen nie zufrieden sein, müssen uns immer weiter optimieren und das Neueste kaufen. Wir haben die Vorstellung entwickelt und tief verinnerlicht, dass Überfluss etwas Gutes sei und eine Form von Freiheit.

* in den vielzitierten Studien der Psychologin Phillippa Lally vom University College in London ist sogar von 66 Tagen die Rede
**Das bekannteste Experiment ist der “Marshmallow-Test”, den der Psychologe Walter Mischel in den 1960ern durchführte: Kindern wurde eine Leckerei angeboten und sie hatten die Wahl, diese entweder sofort zu essen oder zu warten und eine größere Belohnung zu erhalten

Der Zauber des Verzichts

Verzicht als Mehrwert zu sehen, bedeutet, sich von der Vorstellung zu lösen, dass mehr immer besser ist. Im Gegenteil: Bewusst auf bestimmte Dinge zu verzichten und Platz für’s Wesentliche zu schaffen, bedeutet für mich wahrer Luxus. Denn je mehr wir haben, desto mehr werden wir von unserem Besitz kontrolliert. Oder um es platt auszudrücken: Nicht ein Haus voller Kram ist luxuriös, sondern luftige mit wenigen, hochwertigen Dingen bestückte Räume. Es ist an der Zeit, Reduktion als eine Quelle des wahren Reichtums zu erkennen. Verzicht auf überflüssige Dinge befreit uns von Ballast und bedeutet dementsprechend auch mehr Freiheit. Wir können uns auf das fokussieren, was wirklich zählt, und schaffen Raum für Klarheit und mehr Lebensqualität. Außerdem bedeutet Verzicht nicht zwangsläufig Verzicht auf Genuss! Wenn wir uns intensiver auf das konzentrieren, was wir haben, gewinnt das Erlebte an Qualität – sei es ein einfaches, selbstgekochtes Essen, ein Spaziergang in der Natur oder ein Augenblick der Stille.

Verzicht als Mehrwert

Ebenfalls wahrer Luxus in unserer überdigitalisierten Welt: Wenn wir bewusst auf ständige Erreichbarkeit verzichten und stattdessen reale, menschliche Verbindungen bevorzugen

Wenn sich eine Tür schließt…

Von den fatalen Umweltauswirkungen einmal abgesehen, wird immer deutlicher, dass Überfluss uns sogar krank machen kann. Nicht ohne Grund haben sich in den letzten Jahren Gegenbewegungen wie der Minimalismus entwickelt. Wer einmal aussortiert hat, weiß: Wir fühlen uns befreiter, wohler, auch innerlich aufgeräumter. Außerdem habe ich festgestellt, dass sich jedes Mal, wenn ich auf etwas verzichte, eine neue Tür öffnet! Seitdem wir auf Plastik verzichten, habe ich nicht nur unser Bad und unsere Küche entrümpelt und übersichtlich-chic neu gestaltet, sondern auch einen ganz neuen Bezug zu unseren Lebensmitteln gewonnen. Ich habe seitdem schon vieles selbstgemacht, das ich zuvor nur gekauft habe, z.B. Fermentiertes, Käse, Hafermilch, aber auch Kerzen, Deo oder Peeling. Es hat meinen Horizont definitiv erweitert. Genauso erging es mir mit vegetarisch/veganer Ernährung. Es gab keinen Tag, an dem mir Fleisch gefehlt hat. Ganz im Gegenteil: Ich habe so viele unglaublich gute, pflanzliche Rezepte ausprobiert, sogar an einem veganen Kochkurs teilgenommen, und möchte behaupten, dass ich deutlich besser und vielfältiger koche als zuvor.

Der Zauber des Verzichts

Selbst mein Verzicht auf Zucker (inzwischen schon länger als ein halbes Jahr) ist für mich eher eine spannende Erfahrung, als eine große Einschränkung: Ich sehe es als Experiment in Sachen Genuss – ich habe sogar schon zuckerfreie Kuchen und Plätzchen ausprobiert – entdecke aber auch äußerlich viele positive Veränderung an meinem Körper

Die weniger-ist-mehr-Themenwoche auf dem Lady-Blog

Verzicht kann so viel Spass machen: Wir haben während der Corona-Zeit zum Beispiel ein Winterpicknick mit unseren Nachbarn im Schnee veranstaltet

Was kann mir noch helfen?

Im neuen Jahr wird alles anders! Denkste! Nur den Wenigsten gelingt es, ihre Neujahrsvorhaben auch dauerhaft umzusetzen. Das liegt häufig daran, dass das Ziel zu unkonkret formuliert war. „Ich stelle meine Ernährung um“, ist zum Beispiel sehr schwammig. Beschreibt stattdessen, was Ihr genau anders machen möchtet und fangt mit kleinen Veränderungen an, z.B. „Ich esse nur noch am Sonntag Fleisch.“ Gleichzeitig solltet Ihr Euch konkret überlegen, was Ihr an den anderen sechs Tagen macht. Ohne tolle (und im Alltag einfache!) Rezepte fallt Ihr schnell in alte Gewohnheiten zurück. Wochenpläne und Einkaufslisten sind Gold wert! Legt die Hürden für neue Gewohnheiten so niedrig wie möglich. Ach, und habt Spass! Wer sich auf ein neues Rezept freut, jemanden zum Kochen einlädt oder sogar eine gemeinsame Challenge startet, gibt gewiss nicht so schnell auf. Das ist übrigens auch auf die “Öffis” übertragbar: Mit einem guten Buch wird auch die längste Zugreise zur “Me-Time”, für die Ihr Euch sonst selten Zeit nehmt.

Wie kann Verzicht gelingen?

Der Januar ist ein guter Zeitpunkt, um darüber nachzudenken, welche neuen Gewohnheiten etabliert werden könnten – Gibt es denn etwas, worauf Ihr im neuen Jahr verzichten möchtet? Dann verratet es uns gerne in einem Kommentar (etwas schriftlich zu formulieren hilft auch dabei, nicht so schnell aufzugeben)!

Auf dem Foto: Mein Happy-Place zum Durchatmen: Die Kapelle der Ritzau-Alm im Kaisergebirge

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3 Kommentare
  • Michaela sagt:

    Ein toller Artikel! Mir hilft beim Verzichten, vor allem der Gedanke, dass mir Verzicht Zeit verschafft. Ich möchte nicht die Verwalterin von tausend Dingen sein. Es ist, wie du es schreibst, lieber wenige, dafür gute Dinge genießen, anstatt einfach nur Sachen anzuhäufen. Aber ich muss gestehen, ich muss mich in regelmäßigen Abständen immer wieder selbst daran erinnern… :-)

  • Christina sagt:

    Das ist sehr schön geschrieben und eine großartige Themenwoche! :-)

  • Dani sagt:

    Liebe Michaela, liebe Christina,

    vielen dank für Eure netten Kommentare. Ja klar – ich muss mich auch immer wieder daran erinnern! Den Gedanken mit der Zeit finde ich toll Michaela!

    Herzliche Grüße
    Daniela

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