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Christiane Scharrer-Sieb ist Gründerin der Halsbandaffaire – ein Shop, der sich auf hochwertigen Vintage-Schmuck konzentriert. Neben edlen Perlen, antiken Bettelarmbändern und filigranen Kameen – besondere Leidenschaften von Christiane – könnt Ihr bei der Kunsthistorikerin auch wundervollen, traditionellen Trachtenschmuck erwerben. Ich habe mich mit der Expertin über die Geschichte und die Trageweisen dieser speziellen Schmuckstücke unterhalten.
Liebe Christiane, ich habe gesehen, dass man bei Dir im Onlineshop auch Trachtenschmuck kaufen kann, interessierst Du Dich sehr für die Thematik?
Da ich mich als Kunsthistorikerin für jede Form von Schmuck in unserer Kultur interessiere, darf Trachtenschmuck natürlich nicht fehlen. Außerdem ist er gerade in unserer bayrischen und alpenländischen Tradition ein ganz wichtiger Bestandteil. Die Menschen hier finden immer einen Anlass, ihr feines Dirndl oder die Hirschlederne auszuführen, ob bei privaten Anlässen wie Hochzeit und Taufe, oder bei traditionellen Festlichkeiten im Jahreslauf wie Starkbieranstich, Kocherlball oder Wiesn. Den dazu passenden hochwertigen Schmuck – historisch oder Vintage – finden sie bei mir.
Edle Accessoires: Das Armband und der Ring sind aus Silber in Kombination mit Koralle gearbeitet (ca. 1930er)
Woher beziehst Du den Trachtenschmuck?
Das Meiste kommt aus privaten Auflösungen und Verkäufen – die Besitzer erben die Schatulle der Oma oder der Tante und kommen dann direkt in meinen Laden, um mir die Stücke zum Kauf anzubieten. Es hat sich mittlerweile ziemlich herumgesprochen, dass ich die Objekte nicht nur fachkundig einordne und einen fairen Preis dafür bezahle, sondern dass wir auch im Sinne der Nachhaltigkeit die Schmuckstücke liebevoll restaurieren, reparieren und zu neuem Glanz und Leben erwecken. Das schätzen sowohl die Leute, die ihre Objekte verkaufen wollen, als auch unsere Kunden.
Kannst Du uns ein bisschen was über die Tradition von Trachtenschmuck erzählen? Welche Bedeutung hatte er früher für die Träger?
Trachtenschmuck sagte in früherer Zeit vor allem etwas über den Stand und die gesellschaftliche, regionale und religiöse Zugehörigkeit der Trägerin oder des Trägers aus. Der soziale Status zeigte sich in Größe und Gewicht der Schmuckstücke – und je aufwändiger die Verzierungen und je hochwertiger die Materialien waren, desto angesehener war man im dörflichen oder ländlichen Umfeld. Die Verwendung von Flussperlen, Granaten, Talern, Knöpfen aus Silber oder Jagdtrophäen wie Grandln, Tierkrallen und Geweihstücken, die sich vor allem an den Charivaris für den Herrn zeigen, entsprangen natürlich auf der einen Seite dem uralten Wunsch sich zu schmücken und waren aber auf der anderen Seite auch ein Zeichen für Ansehen und Reichtum. Dabei musste es sich nicht nur um den typischen Körperschmuck an Brust, Hals, Arm oder Hand handeln – wie wir ihn heute verstehen. Ebenso attraktiv und aufwendig gestaltet war der Kleidungsschmuck wie Besatzknöpfe, Miederverschlüsse, Miederstecker und Charivaris.
Eine Auswahl der beliebtesten Stücke von “Die Halsbandaffaire”: Schmucksets aus Silber mit Granatbesatz
Zu welchen Anlässen hat man Trachtenschmuck getragen?
Im 19. Jahrhundert trug man den Trachtenschmuck in bäuerlich-ländlichen Regionen nur zu Kirchgangs- und Festtagskleidung; so hatte er auch stets Bezug zu jahreszeitlichen Anlässen oder festlichen Lebensbräuchen. Auch heute noch ist diese Tradition im Alpenraum zu sehen. Mit einer Tracht ist man immer festlich gekleidet, ob zur Hochzeit, Oktoberfest oder zum sonntäglichen Biergartenbesuch.
War er in ganz Deutschland und auch über die Grenzen hinaus verbreitet?
Trachtenschmuck gab und gibt es in vielen europäischen Regionen und Ländern. In Deutschland war er zum einen vor allem im Norden und in Küstennähe stark ausgeprägt und zum anderen eben im Süden, im (Vor-) Alpenraum – dort grenzübergreifend auch in Österreich und in der Schweiz. Auch in Siebenbürgen, Ungarn und Böhmen trug man viel Trachtenschmuck. Durch die großen Granatvorkommen in Böhmen entstand dort der wundervolle Granatschmuck, der seinen Siegeszug im 19. Jahrhundert rasch auch in anderen Ländern fortsetzte. In der Mitte Deutschlands dagegen hielten sich die Damen und Herren beim Schmuck zur Tracht eher etwas zurück.
Die Charivaris für den Herren sind meistens massiv aus Silber gearbeitet und mit Münzen sowie Jagdtrophäen und anderen Andenken wie einem Edelweiß verziert
Besonders typisch in Bayern ist ja die Kropfkette – kannst Du uns etwas darüber erzählen?
Ja, die Kropfkette gehört nach wie vor zu den beliebtesten Trachtenschmuckstücken. Zu einem typischen Dirndl-Dekolleté passt sie einfach perfekt. Ihre Form kam zunächst vor allem im höfischen Schmuck vor. Dort waren ab dem 18. Jahrhundert mehrreihige, um schlanke Hälse gelegte sogenannte „Colliers de Chien“ aus Perlen und Diamanten sehr beliebt. Da man beim Tragen dieser Kettenform automatisch den Hals sehr aufrecht und gerade hält, verleiht es der Trägerin automatisch etwas Majestätisches und betont ihr vornehmes Aussehen.
Die Landbevölkerung modifizierte diese Schmuckform und fertigte Kropfketten nun aus silbernen Kettensträngen, die in großen Schließen mündeten, welche wiederum mit farbigen Steinen und Perlen sowie Ornamenten aus zartem Silberfiligran dekoriert wurden. Da die großen vorne getragenen Zierschließen vor dem Kehlkopf sitzen und dabei gerne auch einmal einen eventuell vorhandenen Kropf gnädig verbergen, bekam die Kettenform den bezeichnenden Namen Kropfkette. Neben der klassischen Form der Kropfkette aus Silbersträngen findet man bei uns übrigens auch Modelle mit mehreren Reihen handgeknüpfter Perlenstränge, die das Schmuckstück durch ihren feinen Schimmer noch eleganter und edler machen und zum Beispiel zum Hochzeitsdirndl sehr gerne getragen werden.
Welches Schmuckstück passt – außer der Kropfkette – zum Dirndl?
Abgesehen von der Kropfkette trage ich zum Dirndl sehr gerne eine Trachtenkette mit Granatbesatz, die mehrreihig im Dekolleté liegt. Dazu dann passend das Armband und nicht zu große Ohrringe, um das ganze nicht zu überladen. Was auch wundervoll aussieht ist eines der historischen funkelnden Granatcolliers mit einem passenden Armreif. Dabei ist das Dunkelrot des Granats unglaublich gut kompatibel mit den meisten Dirndl Farben – Blau, Grün, Rot, Grau, Beige, Violett – alles harmoniert mit dem warmen Granatrot. Viele Kundinnen kombinieren dann dazu neben dem Armreif noch einen passenden Granatring bzw. ein Paar schöner Granatohrringe – fertig ist das perfekte Ensemble, das man übrigens nicht nur zum Dirndl sondern sehr gut auch mal zur weißen Bluse und Gehrock oder Blazer tragen kann.
Das mehrreihige Collier stammt aus der Mitte des 20. Jahrhunderts, ist aus Silber mit teilvergoldeter Kartusche gearbeitet und mittig mit einem Granat verziert
Bild-Credits: Die Halsbandaffaire
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Liebe Dani, liebe Christiane,
wunderschöner Schmuck!
Ich habe ein Granatarmband (wie auf eurem ,Titelbild’ links) mit passendem Ring geerbt und es rhodinieren lassen. Es sieht soo gut aus…
Liebe Grüße
Gaby
Sehr, sehr schöner Schmuck und ein wirklich schöner Artikel!
Allerdings bringt es mich als Österreicherin immer zum schmunzeln wenn in Deutschland Trachtenschmuck zu Alltagsdirndl präsentiert/getragen wird – so wie auf EUREN FOTOS zB.
Solche Alltagsdirndl sind bei uns reine Arbeitskleidung (früher wie heute) und werden demzufolge auch nicht für feierliche Anlässe genutzt sondern wirklich nur rein zum arbeiten im Alltag wie auf der Alm, im Stall, beim Servieren in Gasthäusern und Hütten, zur Hausarbeit, im Garten, zum einkaufen gehen und in heutiger Zeit eben auch (wieder) in den Städten ins Büro. Eben NUR für den „ganz normalen Alltag“!
Dazu trägt man bei uns allerdings keinen Trachtenschmuck welcher beim „arbeiten“ nur eher hinderlich wäre. Es wird höchstens ein schlichtes Kettchen mit Kreuz oder Heiligenbildchen/Ikone um den Hals getragen und eventuell ganz schlichte Ohrstecker, ab und an auch den Ehering.
Zu festlichen Anlässen packen wir natürlich auch unseren (meist) ererbten Trachtenschmuck aus – allerdings aber dann auch die Festtagstracht!
In Alltagstracht – wie es in Deutschland ganz lässig üblich ist (außer vielleicht in Bayern)- würden wir uns zu hohen Feierlichkeiten wohl kaum „unter den Herrn“ trauen.
Auch wenn ich mir für mich selber nicht vorstellen könnte zum Alltagsdirndl Trachtenschmuck oder (für mich persönlich noch befremdlicher) gar zu Festtagen ein Alltagsdirndl zu tragen, finde ich es doch sehr erfrischend, wie unkompliziert und frei in Deutschland (die österreichische, schweizerische, bayrische) Tracht interpretiert wird.
LG aus dem traditionellen (verstaubten) Österreich!
Hallo Christiane,
Ich habe schmuck von meiner Oma/uroma.
Die Beiden hab ich nie damit gesehen. Hast du eine Idee wo ich den schätzen oder verkaufen kann?
Emotional hat er keinen Wert für mich