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Wie im letzten Post versprochen, kommen hier meine Sachbuch-Tipps. Die fabelhaften “Blue-notes”-Bücher sind dieses Mal eindeutig in der Überzahl: Ob “Brecht und die Frauen”, “Berlin, Bohème und Ringelnatz” oder “Künstlerinnen und ihre Kleider” – der Verlag ebersbach&simon veröffentlicht in dieser Reihe immer wieder Themen, die mich sehr interessieren. Daneben lege ich Euch das zauberhafte Buch „Das ist Ballett“, den Essay „Über Emily Brontë“ sowie das sehr persönliche Buch „Und jetzt?“ der Journalistin und Bloggerin Marlene Sörensen sehr ans Herz. von Sybille
4. Mithu Sanyal: Über Emily Brontë
Kaum ein Buch hat mich so wütend gemacht wie „Sturmhöhe“ von Emily Brontë. Die Lektüre hat mich sehr gefesselt, aber danach habe ich das Buch buchstäblich in die Ecke geschmissen und beschlossen, es nie wieder zu lesen. Dennoch hat es mich seitdem nicht mehr wirklich losgelassen. Als ich „Über Emily Brontë“ von Mithu Sanyal in der Buchhandlung sah, kamen all die Erinnerungen wieder hoch und ich habe es gekauft. Tatsächlich habe für mich auch ein paar Antworten auf meinen damaligen Gefühlsausbruch bekommen (die verrate ich nicht – ich will ja nicht spoilern!). Aber auch für alle anderen ist das Buch absolut mitreißend und liefert jede Menge Erkenntnisgewinn. Emily Brontë wurde zu Lebzeiten mangelnde Weiblichkeit vorgeworfen und ihr Buch galt als gefährlich, was sicher daran lag, dass sie sich bereits vor mehr als 170 Jahren mit vielen auch heute noch aktuellen Fragen beschäftigte, Gendern, Rassismus, Klassensysteme. Für Sanyal, Tochter einer polnischen Mutter und eines indischen Vaters, war und ist „Sturmhöhe“ ein Buch, in dem sie die eigene Fremdheitserfahrung wiederfand, ein Buch, das ihr in allen wichtigen Lebensmomenten irgendwie weiterhalf und sie immer begleitet. Ich werde „Sturmhöhe“ in Kürze doch einmal wieder lesen.
1. Marlene Sörensen: Und jetzt?
Die Journalistin, Bloggerin und Autorin Marlene Sörensen kennt Ihr sicherlich von ihrem wunderbaren Buch “Stilvoll”, das wir Euch hier vorgestellt haben. Nun hat sie ein neues Buch geschrieben – und zwar voller Fragen. Fragen an das Leben mit 40. Oder 50. Oder 60. Denn ihre Fragen sind allgemeingültig. Wie fühlt man sich mit 40? Noch immer jugendlich oder schon „erwachsen“? Fühlt man sich jemals erwachsen? Es geht um Selbstoptimierung, die Aufrechterhaltung der Liebe in langjährigen Beziehungen oder die ständige Erreichbarkeit heute. Ich habe mich in Marlenes Fragen an das Leben sehr wiedergefunden. Besonders berührt hat mich das Kapitel über Marlenes Sohn, der viel zu früh zur Welt kam und eine Behinderung hat. Sie schreibt über die vielen Diagnosen und Bewertungen, die gar nichts über ihren Sohn aussagen und sein Wesen nicht im Ansatz widerspiegeln. Sie berichtet von den Mühlen der Behördengänge und dass sie das alles manchmal ganz schön müde macht. Nicht weil ihr Sohn ist, wie er ist, sondern weil die Welt so ist, wie sie ist. Ich kann das sehr gut nachempfinden, denn auch mein Sohn, bei dem erst mit 20 ADHS diagnostiziert wurde, hat nie in das „System“ gepasst und wir haben sehr anstrengende Schuljahre und diverse Besuche bei Therapeuten hinter uns. Allein für dieses Kapitel lohnt sich der Kauf von „Und jetzt“ unbedingt. Und natürlich wegen des Kapitels über das Suchen und Finden der perfekten Jeans. Ich empfehle es auch allen unter 40-Jährigen.
3. Dorothee Gelhard, Camille Deschiens: Das ist Ballett
Ein zauberhaftes Buch über die Kunst des Balletts ist der Autorin Dorothee Gelhard und der Illustratorin Camille Deschiens mit „Das ist Ballett“ gelungen. In über 50 Fragen und Antworten rund um den Tanz vermitteln sie Wissenswertes, Geschichte und Gegenwart des Balletts. Da wird geklärt, warum Ballerinen Tutus tragen und auf Spitze tanzen, ob im Ballett Schwäne sterben oder ob Männer im Ballett überhaupt wichtig sind. Auf diese Weise wird die Geschichte des Balletts wunderbar leichtfüßig (!) erzählt und macht Lust auf mehr. Die wunderschönen Illustrationen machen das Buch zum „Muss“ für alle Ballett- und Kultur-Fans. „Das ist Ballett“ ist bei Seemann Henschel erschienen.
Die Bücher “Brecht und die Frauen”, “Renée Sintenis – Berlin, Bohème und Ringelnatz” und “Unangepasst – Künstlerinnen und ihre Kleider” sind in der Reihe Blue notes bei Ebersbach & Simon erschienen
2. Unda Hörner: Brecht und die Frauen
2023 jährt sich der Geburtstag des Dichters und Theatermanns Bertolt Brecht zum 125. Mal. Unda Hörner hat das zum Anlass genommen, sich intensiver mit den Frauen an der Seite des Dramatikers zu beschäftigen. „Brecht und die Frauen“ macht sehr deutlich, dass Brecht ohne die Frauen in seinem Leben nicht so produktiv und erfolgreich gewesen wäre. Die Autorin, deren Bücher ich hier und hier vorgestellt habe – zeichnet Brechts Lebensweg anhand seiner wechselvollen Beziehungen nach. Es entstehen lebendige Portraits von Frauen, die Brecht zeitlebens unterstützt haben. Die charismatische Schauspielerin Helene Weigel war Hüterin des Hauses und hielt den Brecht-Tross zusammen. Die Schriftstellerin Elisabeth Hauptmann entdeckte und übersetzte das Vorbild für die Dreigroschenoper („Beggars Opera“), die Dänin Ruth Berlau sorgte für die Archivierung seiner Stücke und Notizen. Alle lebten mehr oder weniger mit und nebeneinander und Brecht konnte sich auf die Unterstützung dieser Frauen (fast alle waren seine Geliebten, nur mit Helene Weigel war er verheiratet) verlassen. Helene Weigel sorgte am Theater am Schiffbauerdamm mit dem Berliner Ensemble dafür, dass Brechts Stücke nach seinem Tod weiterhin aufgeführt wurden. Was hat sie an diesem Mann so fasziniert, der klein und schmächtig war und sich angeblich selten wusch? Das Buch löst diese Frage für mich nicht auf – aber es ist unglaublich unterhaltsam und macht Lust, Brechts Stücke aus einem anderen Blickwinkel zu lesen.
Tipp: Momentan könnt Ihr Euch bei Netflix noch eine empfehlenswerte ARD-2-Teiler über Brecht ansehen
5. Silke Kettelhake: Renée Sintenis – Berlin, Bohème und Ringelnatz
Ihr kennt sicherlich die kleinen Bären-Statuen, die auf der Berlinale verliehen werden? Entworfen wurden in den 1920ern von der Bildhauerin René Sintenis. Ich kannte sie vor der Lektüre des Buches von Silke Kettelhake nicht. Was für eine Wissenslücke! Denn Sintenis galt in der Weimarer Republik als Verkörperung der „Neuen Frau“. Sie war emanzipiert, selbstständig und eine der erfolgreichsten Künstlerinnen der Zeit. Sie schuf vor allem Bronze-Skulpturen von Tieren und Sportlern, aber auch Porträtbüsten, die sie bereits in den 20ern erfolgreich verkaufte. Sie verhalf auch Joachim Ringelnatz, den ich bisher nur als Dichter kannte, zum Durchbruch als Maler. Mit Beginn der Nazi-Herrschaft wurde es still um sie. Ihre Kunst galt als entartet, sie wurde als „Halbjüdin“ bezeichnet. Heute werden ihre Arbeiten von zwei Galerien in Düsseldorf vertreten. Die Preise für ihre Werke steigen weiterhin. “Renée Sintenis – Berlin, Bohème und Ringelnatz” ist eine sehr lesenswerte Biografie, auch wenn der Schreibstil für mich nicht ganz eindeutig ist – er mäandert ein bisschen sehr zwischen sachlichem und poetischem Stil. Trotzdem: Unbedingt lesenswert.
6. Ursel Braun: Unangepasst. Künstlerinnen und ihre Kleider
Ich finde, dass Kleidung nicht oberflächlich ist. Mode ist für mich Kunst. Leider ist diese Ansicht in Deutschland, im Gegensatz zu Ländern wie Frankreich oder Italien, nicht allgemeingültig, was ich sehr bedauere. (Insbesondere, wenn ich ins Theater gehe, und sehe, dass sich das Publikum nicht einmal im Ansatz Gedanken über die entsprechende Kleidung gemacht hat.) „Unangepasst. Künstlerinnen und ihre Kleider“ von Ursel Braun habe ich sehr gerne gelesen. Sie beschreibt darin sieben Künstlerinnen und die Kleidung ihres Lebens. Die eigenwilligen Garderoben der Frauen spiegeln ihr außergewöhnliches Leben wider; jede für sich ließ weibliche Rollenmuster hinter sich und setzte sich in einer von Männern dominierten Welt durch. Darunter sind Josefine Baker, Georgia O’Keefe oder Frida Kahlo. Die Biografien und Beschreibungen sind beeindruckend, ich hätte mir aber noch mehr Fotos der Kleidung gewünscht.
Hier kommt Ihr zu meiner Bücherschau für den Sommer 2023
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Liebe Sybille,
ich danke Dir wieder für Deine tolle Bücherschau, die ich immer sehr liebe! Zu Brecht: Ich habe mir den ARD-2-Teiler angesehen, der gut gemacht war, aber trotzdem hatte ich Probleme, ihn mir bis zum Ende anzuschauen, weil mir Brecht dermaßen unsympathisch war und ich sein Verhalten den Frauen gegenüber unter aller Kanone fand. Was die an ihm fanden, erschloss sich mir auch absolut nicht. Aber irgendein Charisma muss er gehabt haben.
Die Blue-Notes-Buchreihe mag ich ebenfalls so gerne und ich habe jetzt schon zahlreiche Bände daraus, von Astrid Lindgren über Marilyn Monroe bis zu Rahel Varnhagen, Virginia Woolf, Caroline Schlegel-Schelling oder Vita-Sackville-West. Die Bücher sind immer kurz und knackig, lassen sich schnell mal zwischendurch lesen und stellen beeindruckende Frauenpersönlichkeiten vor!
Sehr spannend finde ich aber auch das Buch über Emily Brontë – vielleicht sollte ich das und Sturmhöhe auch (noch) mal angehen… und Marlene Sörensen ist sowieso großartig, das Buch werde ich mir besorgen!
Herzliche Grüße
Dani