Sybilles Bücherschau: Vier Belletristik-Tipps für’s Frühjahr
Sybille

In den ersten drei Monaten dieses Jahres gab es viele wunderbare Belletristik-Neuerscheinungen. Ich habe wieder fleißig gelesen und stelle Euch ein Buch über Kaiserin Sisi, Ruth Rilke, die Tochter von Rainer Maria Rilke, die Tänzerin Bé und die “Neue Frau” in der 1920ern vor. Meine Sachbuchvorstellungen folgen in einem weiteren Post. von Sybille

1. Karen Duve: Sisi

Es geht tatsächlich um die Sisi, was angesichts des Covers, auf dem ein Gemälde zweier sich aufbäumender Schimmel abgebildet ist, nicht sofort ersichtlich ist. Karen Duve stellt aber insbesondere Sisis Reit- und Jagdleidenschaft in den Mittelpunkt und konzentriert sich auf zwei besondere Jahre ihres Lebens. Eigentlich wollte die leidenschaftliche Reiterin Karen Duve ein Pferdebuch schreiben. Bei ihren Recherchen stieß sie immer wieder auf Elisabeth von Österreich, die nicht nur die beste Jagdreiterin ihrer Zeit war, sondern auch eine sehr gute Dressur- und Zirkusreiterin. Vier Jahre hat Duve für den Roman recherchiert, Fachliteratur und Briefwechsel gelesen. Entstanden ist ein großartiges, unterhaltsames, spannendes Buch über die ambivalente Kaiserin, die durchaus borstig, manipulativ und unsympathisch geschildert wird. Aber es wird auch klar, dass sie etwas Geheimnisvolles an sich gehabt haben muss, das ihre Umgebung immer wieder verzauberte. Ich liebe die akribischen Beschreibungen der damaligen Kleidung, Einrichtungen und Umgangsformen, die Karen Duve in allerschönste Formulierungen fasst. Das Buch ist für mich eine ideale Filmvorlage.

Apropos Film: Auch „Corsage“ mit Vicky Krieps zeigt die Kaiserin aus einem ganz anderen Blickwinkel ebenso wie „Sisi und ich“ mit der großartigen Sandra Hüller, der am 30. März in die Kinos kommt. Sisi ist bei Galliani erschienen.

2. Brigitte Landes (Hg): Auftritt: Die neue Frau

Flapper, Garçonne oder Girl – so hießen die jungen Frauen, die mit Smoking, Zigarette une Bubikopf in den 1920er Jahren in der Millionenstadt Berlin auftraten. Sie übernahmen neue Rollen und gaben sich selbstbewusst und frivol. Viele Autorinnen der Zeit setzten dieser „Neuen Frau“ in Essays, Reportagen und Kolumnen, in Erzählungen, Romanen und in Lebenserinnerungen ein Denkmal. Für Helen Hessel ist die „Mode eine Waffe im Kampf der Geschlechter“, Fritzi Massary schreibt vom „Glück des Autofahrens“, Vicky Baum boxt, Mascha Kaléko erzählt von den „Mädchen an der Schreibmaschine“, Gabriele Tergit und Else Lasker-Schüler protestieren gegen den §218. Das Buch „Auftritt: Die neue Frau“ versammelt einige dieser Essays. Ich halte mich in der Literatur der 20er Jahre für recht bewandert und bin doch immer wieder erstaunt, wie modern die Texte sind. Sie haben nichts an Aktualität verloren, und ich liebe die Frechheit der Autorinnen. „Auftritt: Die neue Frau“ ist in der wunderbaren Insel-Bücherei (Suhrkamp-Verlag) erschienen.

Lady-Blog: Sybilles Bücherschau

4. Martin Lobigs: Das Tanzen bleibt

Ich kann Büchern, die sich mit Tanz beschäftigen, nicht widerstehen. „Das Tanzen bleibt“ hat mir ausnehmend gut gefallen. Martin Lobigs schildert die Geschichte der Tanzkompanie von Kurt Joos, die eng verbunden ist mit der Biografie seiner Mutter Bé, die bei Joos tanzen will und dafür viel auf sich nimmt. Ohne Kurt Joos, der mit seiner Choreografie „Der grüne Tisch“ 1932 weltberühmt wurde, ist das spätere deutsche Tanztheater nicht denkbar. Schon 1933 erkennt er die Zeichen der Zeit und emigriert mit seiner Truppe nach England, wo er eine Tanzschule gründet. Die Kompanie geht Ende 1939 nach New York und bereist von hier aus Nord- und Südamerika. Die auf Jave geborene Tänzerin Beatrijs Vitringa, die bereits erwähnte Bé, will nur für Joos tanzen und wird in England seine jüngste Schülerin. Nach dem Krieg tanzt sie wieder für Joos, der mit seiner Kompanie in Essen an der Folkwang-Schule Geschichte schreibt. Anhand vieler Fotos und Dokumente rollt Lobigs die Geschichte der Joos-Kompanie und seiner Mutter auf. Ganz nebenbei lernt man das damalige Leben auf Java, aber auch in Nord- und Südamerika kennen und erfährt sehr viel über die Geschichte und Ursprünge des modernen Tanzes. „Das Tanzen Bleibt“ ist im Henschel Verlag erschienen.

5. Erika Schellenberger: Alles behalten für immer. Ruth Rilke

Der Roman aus der Sicht der Rilke-Tochter Ruth beginnt im Jahr 1957 im Künstlerdorf Fischerhude bei Bremen. Im früheren Atelierhaus der Bildhauerin Clara Westhoff, der Witwe Rainer Maria Rilkes, wird renoviert. Tochter Ruth ist nach vierzig Jahren mit ihrer Familie und dem Nachlass ihres weltberühmten Vaters heimgekehrt. Ruth erinnert sich an ihre Kindheit, an das Verhältnis zu ihrem Vater (der sich als nicht wirklich familientauglich erweist) und das bewegte Leben mit ihren Künstlereltern. (Die ihre Tochter auch mal für lange Zeit bei den Großeltern lassen, um in Paris zu leben). Der Roman bietet unveröffentlichtes Material aus dem Familienarchiv, das Ruths Stieftochter Uta Addicks für die Autorin Erika Schellenberger geöffnet hat. Mich hat er nicht wirklich gepackt, was ich gar nicht begründen kann. Für Rilke-Liebhaber ist es aber wunderbarer Lesestoff. „Alles behalten für immer“ ist bei Ebersbach & Simon erschienen.

Hier kommt Ihr zu meiner Bücherschau für den Sommer 2023 und für den Sommer 2024

MEHR BUCHEMPFEHLUNGEN VON SYBILLE

Newsletter Information

2 Kommentare
  • Dani sagt:

    Liebe Sybille,

    das sind wieder tolle Buch-Tipps, vor allem das Buch über Sisi interessiert mich! Ich bin allerdings erst einmal über die Schreibweise gestolpert – ich dachte immer Sisi schreibt man mit Doppel-s. Aber ist gar nicht historisch korrekt: “Als bester Beweis gilt eine mit Diamanten besetzte Tabakdose, die der bayerischen König Ludwig II. seiner Cousine zu deren 44. Geburtstag im Jahr 1881 schenkte. Darauf ist die Gravur zu lesen: „Angebetete, aufrichtig geliebte Sisi.” Wieder was dazu gelernt!

    Herzlichst, Dani

  • Sybille sagt:

    Liebe Dani,

    für “Sisi” gilt eine absolute Leseempfehlung. Ich werde es sicher auch noch ein zweites Mal zur Hand nehmen.

    Lieben Gruß
    Sybille

Hinterlasse doch einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Mit dem Klicken des Buttons „Kommentar Abschicken“ willige ich in die Übermittlung meiner personenbezogenen Daten ein, zum Zwecke der Veröffentlichung des Kommentars und Kontaktaufnahme im Falle der Klärung inhaltlicher Fragen. Mir ist bekannt, dass ich diese Einwilligung jederzeit ohne Angabe von Gründen mit Wirkung für die Zukunft widerrufen kann. (Datenschutzerklärung, Impressum)
Mit einem Klick auf den Button „Jetzt anmelden“ willige ich in die Übertragung und Nutzung meiner personenbezogenen Daten zur Sendung werblicher e-Mails ein. Diese Einwilligung kann ich jederzeit ohne Angabe von Gründen mit Wirkung für die Zukunft widerrufen. Impressum | Datenschutzerklärung