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Es geht weiter mit unserer Serie Der Stil meiner Stadt – dieses Mal: Münster, aus Sicht einer Einheimischen und einer Wahlheimischen. Wirtschaftsjuristin Lena (Instagramprofil) ist gebürtige Münsteranerin und das bleibt auch ihr „state of mind“, obwohl sie inzwischen etwas weiter draußen im Münsterland lebt. Die gebürtige Hessin Lilli (Instagramprofil) ist für das Studium nach Münster gekommen und dann geblieben. Sie bloggt auf geeksantiques.de über Literatur.
Lilli, Lena, wie würdet Ihr den Stil von Münster beschreiben?
Lilli: Landadel trifft Prepster. Die Mischung aus Alteingesessenen in Barbourjacke oder mittlerweile sogar Janker (ja, auch der hat es nach Westfalen geschafft!) und den vielen Studenten, die – je nach Fachrichtung – preppy bis hipstermäßig unterwegs sind, macht für mich den Charme der Stadt aus. Hier sitzt dann bei Stuhlmacher die Studentin in Culotte, Loafers und Bluse lupinenkaffeetrinkend neben dem älteren Herrn in Tweedsakko und Cordhose – natürlich mit Herrengedeck (das besteht in Münster übrigens aus einem gepflegten Pils und einem Sasse Lagerkorn).
Lena: Das hast Du sehr treffend beschrieben, Lilli! Obwohl ich dazu sagen muss, dass diese Offenheit und Buntheit – die sich, wie ich finde, auch im kulturellen Angebot immer mehr wiederfindet – zur Zeit meines Studiums noch nicht so stark ausgeprägt war. Die Studentin in Culotte wäre da beim „Stuhli“ doch noch sehr aufgefallen. Allerdings glaube ich, das ist nicht unbedingt Münster-spezifisch. Inzwischen hat man so viel mehr Möglichkeiten, sich inspirieren zu lassen und zu shoppen, das schlägt sich in der Vielfalt der Mode wieder (außer vielleicht im Teenager-Alter).
Was sind die prägenden Einflüsse auf den Kleidungsstil Münsters?
Lena: Münster ist die „Provinzhauptstadt Nordrhein-Westfalens“ – und das erklärt alles. Münster ist eine große Stadt mit vielen Studenten, das zeigt die Offenheit und die sich mehrende „Coolness“ im Kleidungsstil. Aber Münster ist auch immer noch ein Stück „Heile Welt“, mit ländlichem Umland, in dem z.B. die Pferdewirtschaft sehr stark vertreten ist. Und so treffen Kapuzenpullis und Sneakers auf Oxford-Bluse und Barbour. Und schließlich ist Münster eine Wissenschafts- und Verwaltungsstadt: Perlenohrringe, Seidentuch und Hornbrille sind hier keine Modeerscheinungen.
Lilli: Genau, Münster ist trotz seines traditionellen und konservativen Rufs eine sehr internationale und durchmischte Stadt. Es lassen sich gut drei Hauptrichtungen in der klassisch-eleganten Mode unterscheiden: der Preppy Style der vielen Studentenverbindungen und ihres gesellschaftlichen Umfelds, der ländlich-elegante Stil der alteingesessenen Münsteraner und der etwas funktionalere classy Business-Look der aufstrebenden Juristen und Ökonomen (wobei auch dort der von mir liebevoll „Hoodie-Index“ getaufte Look in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat).
Bei Stuhlmacher sitzt die Studentin in Culotte neben dem älteren Herrn in Tweedsakko
Was ist die liebste Alltagskluft des Münsteraners?
Lilli: Pragmatisch, elegant, traditionell. Obwohl Münster immer als recht konservativ gilt, sind die Menschen hier modisch gar nicht so eintönig und langweilig unterwegs, wie man vermuten könnte – nur kommt das meist im Alltag nicht so zum Tragen. Denn da steht der Pragmatismus für viele an erster Stelle, man muss sich mit der Kleidung ja schließlich noch aufs Fahrrad setzen können. Für die Studenten der klassischen Fächer ist der Look-to-go einfach die bunte Hose mit Hemd oder Bluse, dazu Pullover oder Blazer, Bootschuhe und eine große Ledertasche für Laptop und Bücher. Da ein Großteil der Berufstätigen vor allem in Wissenschaft, Lehre und Verwaltung beschäftigt ist, gibt es auch hier keine extravaganten Ausreißer im Alltag. Richtig modisch-bunt wird es in Münster aber erst bei den Events.
Lena: Stimmt – beim Polo-Picknick oder bei Hochzeiten auf den Schlössern im Umland darf es gerne auch mal „gut behütet“ zugehen! Im Alltag werden Farbkleckse dagegen eher durch stylische Ohrringe (SchwesterSchwester etc.) und Armreifen (Siggi Spiegelburg) gesetzt. Bei den Männern vielleicht mal mit einer mutigen Hose-Pullover-Kombination… Abgesehen davon sind die klassischen Label wie Louis Vuitton, Longchamp oder Aigner hier schon auch häufig zu sehender Bestandteil der Alltagskluft – genauso wie Jute-Beutel, Vans und Mom-Jeans. Da kommt es auch echt ein bisschen darauf an, ob man gerade über den Prinzipalmarkt läuft, oder im Hafenviertel unterwegs ist.
Was trägt man, wenn man „chic“ ausgeht?
Lena: Tatsächlich trauern meine Mädels und ich manchmal den guten alten Zeiten hinterher – wir waren im Studium fast nur in Kleidchen und mit „hohen Hacken“ aus (und mit dem obligatorischen Paar Ballerinas für den zweiten Teil der Nacht) – inzwischen sieht man das eher selten, zumindest beim Feiern; geschweige denn in der Altstadt! Aber generell sind Münsteraner sehr anlassorientiert und wissen zwischen einer Vernissage und dem Club-Besuch zu unterscheiden.
Lilli: Da stimme ich dir voll und ganz zu, Lena! Je nach Anlass trägt man eben Abendkleidung oder etwas in Richtung Country Club Casual. Für einen langen Tanzabend oder Empfang tut es auch das schicke Cocktailkleid. Voraussetzung ist allerdings immer: im Notfall muss man mit dem Outfit entweder unbeschadet über das Pflaster in der Innenstadt laufen oder – man kann es nicht genug betonen – aufs Fahrrad steigen können.
Im Notfall muss das Outfit in Münster immer pflaster- und fahrradttauglich sein
Gibt es eine kleidertechnische Besonderheit in Münster?
Lena: Da kommt das Westfälische und z.T. Konservative durch: bei aller Kultiviertheit, die man auch sehr gerne vor sich herträgt, ist man doch auch pragmatisch und bodenständig. Das Fahrrad (und das Kopfstein-Pflaster) regiert nicht nur den Verkehr, sondern diktiert auch eine gewisse Praktikabilität.
Lilli: Was mir an Münsters Stil gut gefällt: Das Klassische trifft auf die moderne Wandlungsfähigkeit und Experimentierfreude der Studenten! Und auch wenn die finanziellen Mittel vom Elternhaus oder später im Job gegeben sind, trägt der Münsteraner (alteingesessen wie zugezogen) den Pelz trotzdem eher nach innen – wie man hier so schön sagt. Auch der millionenschwere Landwirt hat im Alltag nämlich eher die zerfetzte Wachsjacke übergeworfen und nutzt Hollandrad statt Range Rover für den (übrigens sehr empfehlenswerten) Wochenmarktbesuch.
Inwiefern hat die Mentalität Einfluss auf die Kleidung?
Lilli: Als Hinzugezogene (und vor allem als Hessin) kann ich sagen, dass die Westfalen zunächst ziemlich wortkarg und stur daherkommen. Dementsprechend muss man auch in den Ladengeschäften keine ausgiebigen Gespräche erwarten: rein, anprobieren, kaufen, raus. Hat der Münsteraner einmal seinen Stil gefunden, bleibt er meist dabei.
Lena: Hinter der allgemeinen Zurückhaltung steckt aber meistens ein sehr tiefes Traditionsbewusstsein und die Liebe zur westfälischen Heimat. Nicht umsonst bleiben viele Studenten auch nach dem Studium in Münster.
Lilli: Das kann ich bestätigen! Aber gegenüber allzu extravaganten Trends ist man hier (mal abgesehen von den hippen Studi-Vierteln) geradezu immun und nach einiger Zeit hat auch der letzte Hinzugezogene (mich eingeschlossen) das Münsteraner Understatement für sich entdeckt. Es ist wie ein „modisches Ankommen“ in der Stadt. Ein Grundsatz, den man auch als Student von außerhalb schnell von den „Einheimischen“ lernt, ist der Kauf wertiger Kleidung. Einmal Geld in die Hand nehmen und dafür langlebige Stücke im Schrank haben, tut nämlich auch dem Studi-Geldbeutel gut.
Mit Hut kann man sich in Münster sehen lassen – nicht nur beim obligatorischen Polo-Picknick
Spielt die Einkommensquelle eine Rolle?
Lilli: Ein klares Jein! Selbstverständlich kauft jeder, der etwas auf sich hält, auf dem Prinzipalmarkt in einem der klassischen Läden wie Country Classics, Schnitzler oder Soer. Gerne werden dann auch die Einkaufstaschen mit der Beute noch eine Weile spazieren getragen, bevor man sich in einem der Urmünsteraner Gasthäuser erfrischt. Wem das zu teuer ist, der wird in einem der Vintage-Läden fündig, denn auch dort gibt es alles vom Ralle-Hemd bis zur Burberry-Handtasche. Die Stadt ist wohlhabend und so gelangen selbst feinste Teile vom Schneider schnell in den Second-Hand-Kreislauf. Es lohnt also, mal einen Blick in die diversen kleinen Lädchen am Rande der Innenstadt werfen.
Lena: Da kann ich Lillis Äußerung, und auch der vorhergehenden, nur zustimmen: Der Kauf hochwertiger, langlebiger Kleidung ist nicht primär geprägt von dem Wunsch, zeigen zu wollen, was man hat und/oder vom Einkommen. Natürlich ist gerade auch ein Besuch auf dem Wochenmarkt oder im Theater immer ein Stück „Sehen und gesehen werden“. Aber vordergründig regiert auch hier der pragmatische Ansatz: Wer günstig kauft, kauft doppelt, und so greift man lieber gleich zur Qualitätsware. Ich glaube, ich kenne niemanden, der schon mal im hiesigen Primark war…
Lilli: Ich auch nicht. Einige der günstigeren Läden werden tatsächlich eher von Wochenendurlaubern und Jugendlichen aus umliegenden Kleinstädten zum Einkaufen genutzt.
Mit Hut auf die Straße – geht das?
Lena: Aber sicher doch! Mit Vorliebe wird der Hut in Münster beim Flanieren auf der Promenade, beim Segeln auf dem Aasee oder zu den alljährlichen Events ausgeführt. Bei kulinarischen oder musikalischen Veranstaltungen wie dem Hansemahl oder den Aaseerenaden trägt die Münsteraner Lady meist einen Sommerhut, gerne auch aus Stroh.
Lilli: Münster ist und bleibt eben– wie wir es vorhin schon sagten – eine „gut behütete“ Provinzstadt. Vor allem beim Britnic oder dem Polopicknick sind aber auch wirklich extravagante Modelle anzutreffen: von Pillbox-Hüten über Saucers bis hin zu Wagenrad-Exemplaren und Flamingo-Hüten ist mir hier schon alles begegnet!
Der Münsteraner kann im Ballkleid in den Schlossgarten radeln oder mit Picknickkorb, Sonnenschirm und ausladendem Hut zum Polopicknick pesen
Welchen Einfluss hat die Mobilität auf die Kleidung?
Lilli: Wie sollte es anders sein? In der Fahrradstadt Münster gibt natürlich die „Leeze“ (masemattischer Ausdruck* für Fahrrad) den modischen Ton an. Mit High-Heels lässt es sich eben schlecht radeln. Der Münsteraner greift daher eher zu flachem Schuhwerk und fahrradtauglicher Kleidung. Nicht zu kurz, nicht zu lang, genügend Beinfreiheit zum Pedalstrampeln muss gegeben sein. Die Regentauglichkeit des Outfits ist in der regenhäufigsten Stadt Deutschlands natürlich ebenfalls essentiell! Nichtsdestotrotz ist man im Zweifelsfall auch in der Lage im Ballkleid in den Schlossgarten zu radeln oder mit Picknickkorb, Sonnenschirm und ausladendem Hut auf der Leeze zum Polo zu pesen. Da sind die Münsteraner eben typische Westfalen: stur und traditionsbewusst.
Lena: Wieder einmal hat die Zugezogene der Münsteranerin die Worte aus dem Mund genommen.
*Masematt ist eine Geheimsprache aus dem Mittelalter, die vor allem in den damaligen Armenvierteln gesprochen wurde. Heute hat sie Kultstatus in Münster. Jovel, malochen und Leeze sind wohl die bekanntesten Worte des westfälischen Dialekts.
Lena ist gebürtige Münsteranerin, Lilli ist zum Studium nach Münster gekommen und geblieben
Shoppt Lillis und Lenas Münster-Stil*
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Bild-Credits Stuhlmacher: Wikipedia, Radl & Picknick: Shutterstock, Rest: Lilli
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