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Und weiter geht es mit unserer Serie Der Stil meiner Stadt. Viktoria Heppe nimmt uns heute mit nach Dortmund. Die gebürtige Dortmunderin und studierte Historikerin promoviert aktuell an der Ruhr-Universität Bochum am Institut für Diaspora- und Genozidforschung. Seit 20 Jahren hat die Ruhrgebietlerin immer mindestens einen Dackel an ihrer Seite und ist absolut anglophil. Auf Instagram findet Ihr das Frauchen von Kalle (noch einer!) und Yuma unter Viktoria Eva.
Liebe Viktoria, wie würdest Du den Stil Dortmunds beschreiben?
Ich würde sagen als stilistischen Flickenteppich! Dortmund ist facettenreich, modisch und urban. Entgegen des gängigen Ruhrgebiet-Klischees zeichnet sich der Stil unserer Stadt eben durch seine enorme Vielfältigkeit aus. Von konservativ und klassisch bis hin zu gewagten Style-Experimenten schöpfen die Dortmunderinnen und Dortmunder das gesamte Kleidungsrepertoire aus. Der Flickenteppich ergibt sich aus den vielen unterschiedlichen Stadtvierteln, die alle ihren ganz eigenen Charakter besitzen und den modischen Melting-Pot Dortmund so spannend machen.
Was sind die prägenden Einflüsse auf den Kleidungsstil in Dortmund?
Dortmund besitzt durchaus Stilsicherheit, es kommt eben darauf an, welcher Stilrichtung man sich zugehörig fühlt. Von jeher ist die Bevölkerung des Ruhrgebiets vielfältig und unterschiedliche Einflüsse fanden und finden Eingang in den Kleidungsstil. Die Reminiszenzen an die montanindustrielle Vergangenheit Dortmunds hat in der Vergangenheit viele Künstler angezogen, was dazu beigetragen hat, Internationalität und modernes Flair in die Stadt zu holen. Zudem ist Dortmund Technologiestandort und Universitätsstadt, sodass die Studierenden immer wieder neue Einflüsse zum Stilrepertoire beitragen. Als ehemaliger Standort einer britischen Kaserne hat Dortmund auch eine recht große anglophile Community, was sich in der Liebe zu klassischer Mode in Anlehnung an den englischen Stil niederschlägt. Wachsjacken, Cordhosen und jagdlich inspirierte Outfits sind keine Seltenheit! Aber auch hier gilt: Alles kann, nichts muss und so darf auch gerne die klassische The Bridge-Tasche mit Coulottes und Vintagemantel kombiniert werden.
Am Marktstand der Kaffeerösterei Witt heißt es: Sehen und gesehen werden
Was ist die liebste Alltagskluft des Dortmunders?
Das lässt sich nicht pauschal beantworten, aber grundsätzlich würde ich sagen, dass sich die Alltagskluft nicht besonders von der anderer Städte unterscheidet. Mit Jeans, Trenchcoat, Bluse oder Pullover, kombiniert je nach Anlass mit Sneakern, Chelseaboots oder anderen klassischen Lederschuhen ist man immer auf der sicheren Seite. Aufgepeppt wird das Ganze gerne mit auffallenden Accessoires, wie einer außergewöhnlichen Vintagetasche, einem Cocktailring im Alltag, Statement Socken (bei Herren und Damen wohlgemerkt!) oder farbenprächtigen Tüchern. Diese vielen Facetten kann man wunderbar samstags auf dem Markt bewundern, wenn man sich für Reibekuchen mit Lachs und Grauburgunder oder einen hervorragenden Kaffee aus der Privatrösterei trifft. Hier wird die gesamte modische Klaviatur zwischen lässig und unaufgeregt bis extravagant und auffallend bespielt.
Was trägt man, wenn man „chic“ ausgeht?
Auch hier gilt – anlassorientiert, wer eher im Künstlerischen beheimatet ist, gibt sich gerne mondän bis lässig und trägt Designerstücke eines der vielen lokalen Labels. Wer sich in den Kreisen der Wirtschaft bewegt ist eher konservativ und edel unterwegs und greift auf altbekannte Größen zurück. Dennoch wage ich zu behaupten, dass man mit einem gut geschnittenen Etuikleid nie etwas falsch macht – das passt perfekt sowohl zu einer Ballett-Soiree im Opernhaus, einer Ausstellungseröffnung auf der Zeche Zollern oder einem besonderen Restaurantbesuch.
Backsteinromantik: Die Zeche Zollern ist ein stillgelegtes Steinkohlebergwerk das heute als Museums- und Ausstellungsfläche genutzt wird/Bild-Credit:
Gibt es eine kleidertechnische Besonderheit in Dortmund?
Abgesehen von den zeitweise dominierenden Farben schwarz und gelb? Da bin ich unschlüssig. Ich glaube das die wahre Besonderheit darin liegt, dass Dortmund neue Stilrichtungen schnell adaptieren kann, zeitgleich seiner Bodenständigkeit treu bleibt und viele Einflüsse gerne integriert.
Inwiefern hat die Mentalität Einfluss auf die Kleidung?
Man sagt uns Ruhrgebietlern ja gerne nach, dass wir unverblümt, extrovertiert und vielleicht ein wenig stoisch sind. Das mag zutreffen, aber gleichzeitig ist das Leben geprägt von ständigem Wandel. Niemand, der neu nach Dortmund kommt, erahnt, dass die Stadt vor rund 120 Jahren als „das kleine Paris“ bezeichnet wurde. Genau so wenig sieht man heute noch das lange sehr negativ konnotierte Bild der Montanmetropole. Ich würde sagen, dass wir nicht nur im Wesen, sondern auch der Wahl unserer Kleidung gerne mit der Extrovertiertheit spielen und die gegenseitige Akzeptanz sehr groß ist – auch wenn es sich um einen stilistischen Fauxpas handelt. Hauptsache mit Attitüde getragen!
Gibt es eine Beziehung zwischen sozialem Milieu und Kleidungsstil?
Definitiv. Es ist nicht zu leugnen, dass es in Dortmund – wie in jeder anderen Stadt – Viertel gibt, deren Bewohner deutlich weniger privilegiert und von Armut betroffen sind. Das schlägt sich selbstverständlich auch in der Wahl und Qualität der Kleidung nieder. Genauso gut kann man einigen Dortmundern im Süden der Stadt einen kleinbürgerlich-konservativen Stil, aufgehübscht mit auffällig teuren Einzelstücken attestieren. Dafür ist den Bewohnern einiger Viertel mit künstlerisch-akademischer Ausrichtung wie dem Kreuzviertel mehr Bewusstsein hinsichtlich Nachhaltigkeit wichtig. Hier finden sich viele Geschäfte, die darauf ihren Fokus legen und Kleidung aufstrebender und nachhaltiger Designer anbieten. Allerdings zerfasern diese Grenzen immer mehr und ich bin gespannt, was die Zukunft bringt.
In Dortmund trifft Industrie auf eine der größten Parkanlagen der Welt
Mit Hut auf die Straße – geht das?
Absolut – ich trage persönlich am liebsten meinen karmesinroten Fedora eines bayrischen Labels! Passt am besten zur Dackelgassirunde. Auch zu Anlässen sieht man immer mehr Mut zum Hut – und ich finde es großartig. Cocktailhüte und Fascinator bei Hochzeiten, große Strohhüte im Sommer, aber auch Haaraccessoires wie Samthaarreifen.
Welchen Einfluss hat die Art der Mobilität auf die Kleidung?
Dortmund ist vielleicht nicht die fahrradfreundlichste Stadt Deutschlands, aber an Alternativen mangelt es nicht. Das U-Bahnnetz ist echt gut ausgebaut und wer im öffentlichen Nahverkehr unterwegs ist, sollte sich für eine flache Schuhalternative entscheiden. Hier sind Loafer eindeutig die beste Wahl. Zum Schaufensterbummel über den Westenhellweg mit einer Kaffeepause bei Fischer am Rathaus passen sie hervorragend. Darüber hinaus ist Dortmund die viertgrünste Stadt weltweit und Parkanlagen, Wälder und die spannenden kulturellen Eckpunkte der Stadt sind am besten zu Fuß oder eben mit Bus und Bahn zu erkunden. Dabei kommt man vielleicht an dem ein oder anderen netten kleinen Geschäft vorbei – und ein Blick in die Schaufenster lohnt sich wirklich immer!
Bis die Tage, woll!
Vor allem für ihre Spaziergänge mit Hund liebt Victoria es praktisch und trotzdem chic
Shoppt Viktorias Dortmund-Stil*
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- Der Stil meiner Stadt: Münster – Polo, Picknick & Provinz
- Stil meiner Stadt: Düsseldorf, Stadt der Modelabels
- Der Stil meiner Stadt: Warburg – Stadt der Kleinbürger
- Stil meiner Stadt: Frankfurt am Main – Die Bankerstadt
Kalle ist einfach ein perfekter Dackelname. Ich mag Dortmund, isbs. das sehr gute, innovative Theater.
Lieben Gruß
Sybille