Designer-Entdeckung: Spectrum von Birgit Brockbals
Sybille

Erinnert Ihr Euch an die Reihe „Designer-Entdeckung“ auf dem Lady-Blog? In dieser Rubrik stellen wir junge, kreative Modemacher vor, die Ihr vielleicht noch nicht kennt, die sich aber hinter den großen Marken nicht zu verstecken brauchen. Denn sie punkten durch hohe Qualität und viel Herzblut. Wir haben das Modelabel Spectrum von Designerin Birgit Brockbals aus Hamburg kürzlich entdeckt und beschlossen, die Reihe wiederaufleben zu lassen. von Sybille

Birgit Brockbals: Designerin mit Verantwortungsgefühl

Nachhaltige Mode hat sich mittlerweile vom Öko-Image befreit. Immer mehr Designerinnen und Designer schreiben sich nachhaltiges Design auf die Fahnen und entwerfen zeitlos-klassische Stücke, die man gerne und lange trägt. So wie Birgit Brockbals, die 2011 in Hamburg das Modelabel Spectrum gegründet hat. Wir haben ein Interview mit ihr geführt und wollten natürlich wissen, wie ein Umdenken in der Modeindustrie stattfinden kann. Birgit Brockbals kennt die konventionelle Modeindustrie aus eigener Erfahrung, denn sie war einige Jahre in einem Modeunternehmen tätig.

Birgit Brockbals

Fast alle Arbeitsschritte vom Entwurf des Designs, den Schnitten und der Produktionsanleitung werden federführend von Birgit Brockbals für Spectrum erarbeitet; ihr Mann Christoph Peinecke ist Geschäftsinhaber des Unternehmens

Frau Brockbals, woher beziehen Sie Ihre Stoffe?

Ich beziehe meine Stoffe aus Naturmaterialien (zu 90 % Schafwolle und Kaschmir) größtenteils von europäischen Zwischenhändlern. Diese Stoffe sind Überhänge aus bereits produzierten Stoffkollektionen, die bei Nichtverwendung einfach vernichtet würden. Darüber hinaus strebe ich an, erprobte und nachgefragte Artikel in Qualitäten anzubieten, die aus nachhaltiger Produktion stammen. Ganz aktuell ist das ein Obergewebe aus dem sogenannten Tencel. Das ist eine Lyocellfaser, die so fließend wie Seide, weich wie Viskose und sehr farbbrillant ist.

Und sie lassen ausschließlich in Norddeutschland fertigen?

Ja, unsere Herrenteile werden in Hamburg, unsere Damenteile in Hamburg und Kiel produziert. Größtenteils starten wir erst mit der Produktion, wenn ein Auftrag vorliegt. Zu Beginn der Saison produzieren wir Schlupfgrößen für den Laden und die Messen. Doch die Erfahrung zeigt, dass etwa ein Mantel für den richtigen Sitz meist immer eine individuelle Anpassung an Ärmellänge und Rumpfweite und Länge braucht. Dafür nehme ich mir gerne die Zeit und gebe dem Kunden hierbei meist eine Lieferzeit von 1 bis 3 Wochen an. Gerade die Corona-Pandemie zeigt mir, dass es richtig ist, keine Überproduktion zu erzeugen und damit keine „verderbliche“ Ware auf Lager zu haben.

Fair Fashion: Spectrum von Birgit Brockbals

Sie haben in der konventionellen Modeindustrie gearbeitet. Was läuft falsch?

Ich habe in Zeiten meiner Festanstellung als Designerin persönlich jeden Monat Teile verbrennen lassen, die nicht in die Kollektion gekommen sind. D.h. jedes Teil wurde mindestens 30 Mal für den Vertrieb vorproduziert und dann aus Angst vor illegalem Verkauf auf dem Markt lieber verbrannt. So hat jede Abteilung (Jersey, Strick, Jacken) mindestens 300 Teile monatlich vernichtet. Und das nur im Entwicklungsprozess. Ich möchte nicht wissen, wie viele Artikel aus dem Einzelhandel zurückkommen und verbrannt werden. Dieses Vorgehen hat zur Kündigung meiner Anstellung geführt.

Wie kann man das Bewusstsein der Kundinnen ändern?

Hier müssen Vorbilder aktiv werden. Wenn es nicht die Eltern sind, die lieber ein wertiges Teil kaufen statt drei billiger „Lappen“, dann müssen Idole sich bewusst sein, welchen Einfluss sie auf die heutige Jugend nehmen. Außerdem glaube ich, dass Jugendliche, wenn sie eigenes Geld verdienen, dieses lieber für Qualität ausgeben. Ich sehe das bei meiner fünfjährigen Tochter. Sie entwickelt gerade ein Gefühl dafür, wie man eigentlich zu Geld kommt und wie schnell es auch ausgegeben ist. Sie muss sich gut überlegen, wofür sie die Geldgeschenke ihrer Großeltern ausgibt und überlegt, was ihr wichtig ist. Und auch die Schule kann hier in die Pflicht genommen werden: Kleine Exkurse in Chemie zur Textilkunde würden vielleicht den ein oder anderen wieder für’s Fach motivieren, da ein Bezug zum „Leben“ existiert.

Spectrum Cape von Birgit Brockbals

Spectrum: Fair Fashion für Männer

Birgit Brockbals launchte im Jahr 2019 auch eine Herrenkollektion

Wer ist denn eigentlich Ihre Zielgruppe?

Man beschreibt ja häufig seine Zielgruppe in Altersgruppen. Für mich zeigt sich gerade, dass das im Bereich Nachhaltige Mode kaum noch zutrifft. Zwar ist es noch so, dass sich nicht alle Kundinnen nachhaltige Mode, die leider immer noch teurer ist, leisten können. Aber die Nachfrage regelt den Preis und diese steigt gerade, was mich sehr freut. Damit kann ich jetzt auch noch mutigere Passformen entwickeln. Früher wusste ich, dass meine Teile nur von Frauen ab 40 gekauft werden, aufgrund ihres Einkommens und ihres Bewusstseins. Jetzt habe ich aber auch die umweltbewusste junge Frau im Studium vor mir, die sich lieber ein ausgewähltes Teil kauft statt viel Billiges.

Was sollte die konventionelle Modeindustrie ändern?

In der konventionellen Modeindustrie darf nicht mehr soviel Profit mit jedem einzelnen Teil erwirtschaftet werden. Zum einen darf der Handel nicht mehr so hohe Margen einfordern, um die immensen Mieten bezahlen zu können. Zum anderen dürfen Konzerne nicht solch hohe Profite garantieren. Es muss ein Gleichgewicht herrschen, zwischen dem, was ein Teil kostet, und dem, was wirklich in der Herstellungskette hängen bleibt. Mit meinen in Deutschland gefertigten Teilen konnte ich die ersten zwei Jahre keinen Einkäufer des Einzelhandels gewinnen, da meine Marge aufgrund von fairen Arbeitslöhnen zu gering war und ich den Verkaufspreis nicht ungerecht hochdrücken wollte. Leider zeigt die Zeit gerade jetzt, dass Einzelhändler schon lange mit hohen Mieten zu kämpfen hatten und nun bei kompletter Schließung sich kaum mehr über ein bis drei Monate über Wasser halten können.

Fair Fashion Spectrum Mode aus Hamburg Fair Fashion Spectrum Mode aus Hamburg

Die hochwertigen Kleider, Röcke, Capes und Mäntel überzeugen durch ihren elegant-schlichten Stil mit liebevollen Details und sind sowohl tagsüber als auch zu Anlässen hervorragend tragbar/Bild-Credit: Xenia Bluhm

Was macht die Nachhaltigkeit Ihrer Kollektionen aus?

Durch die Produktion in Deutschland unterstützen wir lokale Handwerker und garantieren kurze Transportwege. Wir stellen nur soviel her, wie realistisch verkauft werden kann. Daher gibt es bei uns auch keinen Sale, in dem wir unsere Ware verschleudern. Und: Meine Kollektionen aus unterschiedlichen Saisons sind alle untereinander kombinierbar.

Frau Brockbals, wir bedanken uns herzlich für das interessante Gespräch!

SPECTRUM
Mozartstraße 7
22083 Hamburg

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4 Kommentare
  • Dani sagt:

    Liebe Frau Brockbals,

    „So hat jede Abteilung (Jersey, Strick, Jacken) mindestens 300 Teile monatlich vernichtet. Und das nur im Entwicklungsprozess.“ Das ist wirklich heftig, und das hört man leider immer wieder, sogar (oder gerade?) von Luxuslabels wie Burberry. Erschütternd.

    Was Sie da tun ist wunderbar und die Mode sehr schön!

    Herzliche Grüße
    Daniela

    PS: Die Batman-Fellzeichnung ihrer Hündin am Bauch ist ja witzig.

  • Sandra T. sagt:

    Ich bin so begeistert, ich habe mir den Link zur Spectrum-Homepage gleich gespeichert. Vielen Dank für diese tolle Vorstellung des Labels.
    Das ist meines Erachtens Klassik und Nachhaltigkeit ‚at it’s best‘.
    Wunderbar, Frau Brockbals.

    (Und ja, Ihr Hund ist prachtvoll, das geborene Model, auch hier danke für diese schönen Einblicke und Fotos.)

    Herzlich, Sandra T.

  • Birgit sagt:

    Liebe Dani,
    lieben Dank für deine Worte. Ja, die Textilindustrie muss Einiges verbessern.
    Aber wir sind teils auf einem guten Weg. Am Ende entscheidet die Kundin welches Produkt sie kauft.

    Es freut mich, dass dir meine Mode gefällt! – Gebe das Kompliment auch an meine Hündin Ciara weiter

    Beste Grüße aus Hamburg
    Birgit

  • Birgit sagt:

    Liebe Sandra,
    auch dir lieben Dank für dein Kompliment!
    DANKE DANKE DANKE – in Zeiten wie diesen ungemein wichtig für mich.

    Beste Grüße aus Hamburg
    Birgit

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