Der Lady-Blog liest: Stil zeigen! von Philipp Tingler

Erst in diesem Jahr habe ich es auf der Frankfurter Buchmesse entdeckt, dabei erschien „Stil zeigen! Handbuch für Gesellschaft und Umgangsformen“ schon vor beinahe 5 Jahren. Herausgebracht wurde es vom selbsternannten Stilkritiker Philipp Tingler in Zusammenarbeit mit dem Illustrator Daniel Müller. Stil zeigen! ist ein wirklich merkwürdiges Buch zum Thema Stil und Gesellschaft, das meinen Geschmack leider gar nicht getroffen hat. von Luna

Bei der Lektüre Von Stil zeigen! Handbuch für Gesellschaft und Umgangsformen musste ich ein, zwei Mal wirklich an mich halten, um das gute Stück nicht sprichwörtlich aus dem Fenster fliegen zu lassen. Philipp Tingler studierte in St. Gallen, London und Zürch BWL, promovierte, schreibt für zahlreiche Fachzeitschriften, große Tageszeitungen und erhielt mehrere Literaturpreise. Wenn man mich fragt, ein echtes Multitalent. Aber auch Multitalente sind eben keine Universalgenies und das merkt man schon am Aufbau des Buches. Die Kapitel sind nicht miteinander verknüpft, ein Thema reiht sich an das andere, einzig und allein dem Kosmos „Stil“ gehören sie alle an. Inhaltlich ist Tingler vor allem ein Fan von Übertreibungen.

Moderne Konversation drehe sich um Schönheits-OPs und insolvente Nachbarn. Nervige Gesprächspartner wimmle man mit anzüglichen Themen ab und mache sich mit geistloser Ironie über sie lustig. Diese Ironie drückt sich dann in der Verwendung der sogenannten U-Vokabeln aus. Bei Tingler „ist und bleibt das schlimmste Unterschichtenwort: Handy“. Das dieses Substantiv mittlerweile sogar im Duden verzeichnet ist, scheint dem Autor entgangen zu sein. Ein anderes Problem hat Tingler mit der Spezies der „Snobs“, die sich vor allem durch die Attribute Pelzmantel, Sonnenbrille und Skier auszeichnet. Zwischen den Zeilen vermittelt er vor allem eines: Eifersucht. Vielleicht wäre der Autor ja selbst gerne ein Snob.

Man erscheint einigermaßen pünktlich zur Party, absolviert eine rasche strategische Runde, während derer man sich mit wenigsten zehn maßgeblichen Gästen sowie den Gastgebern unterhält und spring dann wieder in die wartende Limousine, während die letzten Gäste gerade ankommen.

Tingler über die Vereinbarkeit von Party- und Familienleben

Spätestens an diesem Punkt des Buches wird klar, dass der Verfasser keiner klaren Linie folgt. Einerseits hat er ein Problem mit der von ihm als solche betitelten Unterschicht, andererseits mit den Snobs. Sogenannte „Normalos“ können es aber auch nicht mit ihm aufnehmen. Zu guter Letzt hätte man das Stilbuch meiner Meinung nach um einiges schöner gestalten können. Der Illustrator ist zwar ohne Frage ein begabter Künstler, aber die Machart der Karikaturen ist nicht mein Geschmack. Für mich strahlen sie weder Eleganz noch Esprit aus und sind im Gegensatz zum schönen Cover einfach fehl am Platz.

Zu haben ist  Stil zeigen! bei Kein & Aber, einem eigentlich wirklich wunderbaren Verlag, der sogar schon einmal den Preis des „Verlags des Jahres“ verliehen bekommen hat.

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3 Kommentare
  • Dani sagt:

    Liebe Luna,

    vielen Dank für die aufschlussreiche Kritik. Ich habe mir gerade die Einleitung des Buches durchgelesen, die man sich auf der Seite von Herrn Tingler runterladen kann, und bin schon da auf die ersten Unstimmigkeiten gestoßen. So schreibt er beispielsweise, dass man auf jeden Fall Peinlichkeiten vermeiden und nicht zu viel von sich selber preisgeben sollte, stellt auf seiner Website aber dann halbnackte Fotos von sich online (http://www.philipptingler.com/stuff.htm) und beschreibt die homosexuelle Beziehung zum “besten aller Ehemänner” in einer Art und Weise, dass ich mich nur fremdschämen kann.

    Und was ist das denn für ein gruseliger Vergleich?
    “Und während Snobs sich mit Promenadenmischungen vergleichen lassen, in dem Sinne, dass sie wie Hunde sind, die man auf den Rücken werfen muss, um ihnen klar zu machen, wer das Alphatier ist, so gleichen Langweiler einem grässlichen Fabelwesen: Wenn man so was den Kopf abschlägt, bewegt sich der Körper von ganz allein weiter. Und zwar länger als bei einem Huhn.”

    Ich habe genug gelesen. ;-)

    Herzliche Grüße
    Dani

    P.S.: Der fehlende Zusammenhang zwischen den einzelnen Kapiteln kommt wohl daher, dass es sich dabei zum Großteil um bereits in Zeitschriften veröffentlichte Essays handelt.

  • Liebe Luna,

    Ich möchte mich anschließen, danke für diese tolle Kritik!

    Ich habe auch gerade eben die Leseprobe auf seiner Website fertig und finde sie ganz furchtbar. Er schreibt sehr viel über Snobs (aber wer trägt heutzutage eigentlich noch Pelzmantel und erachtet Sonnenbrille und Schi als Statussymbol?), New Social Richs (Neureiche?). Und beim Lesen hatte ich das Gefühl, er würde auch gern zu ihnen dazugehören.

    Ganz unmöglich finde ich leider auch die Fotos!
    Wie kann man nur ein Stilbuch schreiben und dann solche Fotos von sich ins Internet stellen? Nicht nur das halbnackte, auch alle anderen Bilder sind einfach nur peinlich. In seinen T-Shirts und mit seinen Muskeln könnte er Werbung für ein “Diskountkettenfitnesscenter”, wie er das nennt, machen, aber sicher niemandem Tipps für Stil und Umgangsformen geben.

    Die Illustrationen finde ich zwar irgendwie witzig, sie erinnern mich aber eher an “Struwwelpeter” und passen meines Erachtens nicht wirklich in einen Stilratgeber. Da würden zum Beispiel Illustrationen von Kera Till (wie im Buch “Lebensstil” von Desirée Treichl-Stürgkh – kennt ihr das?-) besser passen.

    Schöne Grüße,
    Claire

  • Liebe Luna,

    vielen Dank für diesen Post! Vor einiger Zeit habe ich mir das Buch gekauft, nachdem ich hier einen Hinweis dazu gelesen habe. Ich kann mich Deiner Meinung nur anschließen! Einen Ratgeber finden wir in diesem Buch nicht! Zudem ist der Autor, meiner Meinung nach, selber ziemlich stillos… wie er von anderen Menschen denkt, wie er über sie schreibt… nein nein nein. Sojemanden möchte ich nicht in meinem Freundes- und Bekanntenkreis haben!

    Herzliche Grüße
    Anna

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