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Die Nofretete-Büste ist eine echte Ikone. Im Neuen Museum in Berlin ist ihr ein ganzer Saal gewidmet. Die Geschichte hinter der geheimnisvollen Schönheit ist vielen jedoch nicht bekannt. Die Autorin Stefanie Gerhold hat sich in ihrem Buch Das Lächeln der Königin dem Fund der Büste, ihrer Reise nach Berlin und vor allem ihrem Entdecker Ludwig Borchardt und seinem Mäzen James Simon beschäftigt. Im Interview berichtet sie uns von ihrer Recherche. von Sybille
Nofretete: Eine verwickelte Grabungsgeschichte
Die Büste der Nofretete wurde 1912 vom Archäologen Ludwig Borchardt in Tel-El-Amarna entdeckt. Finanzier der Grabungskampagne war der Berliner James Simon. (Nach ihm ist auch die James-Simon-Galerie benannt, das Besucherzentrum der Berliner Museumsinsel). Der jüdische Textilunternehmer engagierte sich nicht nur sozial, sondern auch als Mäzen und Kunstförderer. Er erhielt die Grabungskonzession und sicherte sich vertraglich die Eigentumsrechte an dem deutschen Anteil der gefundenen Stücke zu, der andere Teil ging an Ägypten. Die Geschichte um die Ausgrabungen ist verwickelt: Bei Grabungen in Ägypten war die Fund-Teilung üblich. Damit wurden europäische Grabungsteams für die ausgelegten Kosten entschädigt. Oft ging es dabei nicht mit rechten Dingen zu, denn jeder Archäologe wollte möglichst viel von den Funden für sich behalten. Auch Ludwig Borchardt, der Ausgrabungsleiter in Tel-el-Amarna, soll getrickst haben. Diese Geschichte schildert Stefanie Gerhold in ihrem Buch historisch sehr genau. Letztendlich gelangte die Nofretete-Büste 1913 aufgrund der Bemühungen Borchardts nach Berlin. Da bereits erste Rückgabeforderungen aufkamen, bestand Borchardt darauf, dass sie zunächst in Simons Privaträumen verblieb.
„Das Lächeln der Königin” von Stefanie Gerhold ist im Verlag Galliani erschienen, Stefanie Gerhold ist als Übersetzerin und Autorin in Berlin tätig, das Lächeln der Königin ist ihr erster Roman
Ägypten-Begeisterung der 20er Jahre
Das war ein großes Glück für den passionierten Kunstliebhaber Simon, der am liebsten Archäologe geworden wäre, und zwischen ihm und der Büste entwickelte sich eine nahezu intime Zwiesprache. Nofretete blieb den Augen der Öffentlichkeit über 10 Jahre verborgen. Doch da der damalige Leiter des Ägyptischen Museums in Berlin auf eine Ausstellung drängte, wurde Nofretete am 1. April 1924 zum ersten Mal dem Publikum präsentiert – was zusammen mit dem Fund des Tut-ench-Amun im Jahr 1922 eine ungeheure Ägypten-Begeisterung auslöste! Gleichzeitig brach Streit zwischen Ägypten, Frankreich und Deutschland um das Eigentum an der Nofretete aus. James Simon selbst schien nie ganz glücklich mit den Entwicklungen gewesen zu sein, er setzte sich zeitweise auch für ihre Rückgabe ein. Zudem verlor er während des Siegeszuges der Nationalsozialisten zunehmend an Einfluss… Das gut recherchierte Buch von Stefanie Gerhold setzt sich nicht nur mit der Historie um die Ausgrabungen in Ägypten auseinander, sondern ebenso mit dem Leben der jüdischen Gesellschaft in den 1920er Jahren. Einfühlsam schildert sie auch die Ehe der Simons. Das Buch hat mir einen völlig neuen Blick auf die Nofretete-Büste eröffnet und beim nächsten Berlin-Besuch werde ich sie mir auf jeden Fall wieder einmal anschauen. Noch mehr über die Autorin und ihr Buch erfahrt Ihr im Interview.
Frau Gerhold, was hat sie zu einem Roman über Nofretete inspiriert?
Der konkrete Anlass war die Ausstellung „Im Licht von Amarna” zum 100. Jubiläum des Fundes der Nofretete. Damals war im Nordkuppelsaal, der ja eigentlich nur der Nofretete vorbehalten ist, auch eine Büste von James Simon aufgestellt. Dieses Bild hat sich mir eingeprägt und ich habe mir die Frage gestellt, wie es für diesen Mann gewesen sein muss, dieser Büste gegenüber zu stehen.
Wie oft waren Sie im Neuen Museum, um sich die Nofretete anzusehen?
Ich habe mir tatsächlich eine Jahreskarte gekauft und kann die Besuche gar nicht mehr zählen. Interessant fand ich auch, die Besucherinnen und Besucher zu beobachten. Man darf ja nicht fotografieren. Daher ist jeder gezwungen, sich zu ihr direkt in Beziehung zu setzen.
Was empfinden Sie, wenn Sie die Büste sehen?
Diese Büste überfordert mich bis heute. Wenn man in den Nordkuppelsaal kommt, hat sie etwas, das einen aus der Fassung bringt. Dieser Gleichmut, den sie verströmt. Sie ist zwar eine Skulptur, aber man kann nicht anders, als die Person zu sehen. Man fühlt die Überlegenheit der Königin, neben der man immer klein ist. Sie hilft einem bei den eigenen Fragen nicht weiter. Und meine Gefühle habe ich im Buch ein wenig auf Simons Sicht der Nofretete übertragen.
Was macht die Nofretete so zeitlos?
Da ist zum einen ihre Schönheit. Sie ist eine Ikone. Zum anderen ist sie ja unglaublich gut erhalten. Sie wirkt im Gegensatz zu anderen Ausstellungsstücken fast wie neu. Außerdem finde ich, dass es dem Bildhauer Thutmes gelungen ist, die Spannung in diesem Gesicht zu zeigen. Sie ist unglaublich schön, aber man sieht auch, dass sie altert. Das macht sie sehr menschlich, sie erscheint nicht so unangreifbar.
War James Simon ein glücklicher Mensch?
Das ist schwer zu beantworten. Auf der einen Seite stelle ich ihn mir als sehr dankbaren Menschen vor. Auf der anderen Seite hat er sich sein Leben lang anderen gewidmet und selbst zurückgesteckt. Aber die eigenen Bedürfnisse sind trotzdem da! Als erfüllt kann ich mir dieses Leben nicht vorstellen.
Auch die Frauenfiguren spielen in “Das Lächeln der Königin” eine wichtige Rolle.
Die Frauen sind für mich im Gefüge des Buches sehr wichtig. Agnes, die Frau von James Simon, und Emilie, die Frau von Ludwig Borchardt, sind sehr unterschiedlich in ihren Haltungen und ihrem Naturell. Die eine beugt sich den Konventionen, die andere geht eine Ehe mit einem ungewöhnlichen Mann ein und zieht mit ihm nach Kairo. Simons Schwester Martha steht für die Neue Frau, die sich aus dem Korsett und strengen gesellschaftlichen Regeln befreit.
Wie schwer ist es, aus historischen Vorgaben Dialoge zu konstruieren?
Am Anfang ist mir das nicht leicht gefallen. Man darf sich von der Recherche nicht gängeln lassen, und diese Freiheit musste ich mir erarbeiten. Ein Menschenleben macht viel mehr aus als die spärlichen Zeugnisse, die davon bleiben. Ich wollte diese Figuren mit ihren inneren Nöten und ihren Widersprüchen lebendig werden lassen, und das musste ich aus mir selbst schöpfen, mittels meiner eigenen Sprache. Nachdem ich mir das klar gemacht hatte, war es nicht mehr schwer. Denn ich versetze mich sehr gerne in andere Personen.
Wie lange hat die Recherche für “Das Lächeln der Königin” gedauert?
Ich hatte nicht von Anfang an den Plan, einen Roman zu schreiben. Ich begann mich für das Thema und James Simon zu interessieren und habe zunächst mehr unstrukturiert gelesen. In dieser Phase habe ich meine Mutter besucht, die mir vom Roman „Jettchen Gebert” von Georg Hermann erzählte, der genau das Milieu beschreibt, in dem James Simon lebt. Dann habe ich entdeckt, dass Georg Hermann der Bruder von Ludwig Borchardt war. Das hat mich dazu bewegt, mich näher mit Bochardt zu beschäftigen, der im Roman ja die Gegenfigur zu James Simon ist. Wichtig war auch die Arbeit von Bénédicte Savoy, die ein Buch über die Nofretete-Affäre geschrieben hat. Insgesamt hat der Prozess bis zur Veröffentlichung fünf Jahre gedauert.
Ist Ihnen der Abschied von Nofretete schwer gefallen?
Nein. Ich hatte das Gefühl, jetzt ist es gut. So wie der Roman jetzt ist, ist er es wert, herausgegeben zu werden. Und das habe ich dann auch gemacht.
Bild Credits Portraitfoto: Micheala Krause, Nofretete-Fotos: Sandra Steiss
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