Ein Interview mit Prinz Asfa-Wossen Asserate
Sybille

Prinz Asfa-Wossen Asserate, der u.a. das sehr empfehlenswerte Buch Manieren verfasst hat (wir berichteten z.B. hier), war vor kurzem in Gütersloh, um „Der letzte Kaiser von Afrika“, die Biografie über seinen Großonkel Haile Selassie, vorzustellen. Der Angehörige des entthronten äthiopischen Kaiserhauses lebt seit seinem Studium in Deutschland. Ich hatte die Gelegenheit, den geistreichen und charmanten Autor zum Thema Stil zu interviewen. von Sybille

Herr Asserate, was ist Stil für Sie?

Für mich ist Stil, womit ein Mensch seine Liebe zur Ästhetik darstellt. Ich bin allerdings gegen Kleidungsvorschriften. Ein Mensch muss anziehen, worin er sich wohlfühlt, ansonsten wird das sehr artifiziell. Aber ich möchte merken, dass er sich Mühe gegeben hat. Zum Beispiel bei Feierlichkeiten: Solange der Mensch bemerkt, dass es sich um ein besonderes Ereignis handelt und er sich mit Sorgfalt kleidet, darf er alles tragen. Das kann ein Smoking sein. Wenn er sich aber in Jeans und einem schicken Blazer wohler fühlt, dann soll er das tragen. Ich möchte so gerne merken, dass man sich Mühe gibt. Das ist die einzige Forderung, die ich stelle.

Also sind Kleidungsvorschriften gar nicht nötig?

Ich möchte dazu anregen, stilistisch revolutionär zu sein. Ich mag es, wenn Menschen sich etwas überlegen, sich sozusagen über die Kleidung selbst finden und erfinden. Dann haben sie sich Mühe gegeben und versucht, ihre eigene Identität zu suchen und in Form zu bringen.

Was geht Ihrer Meinung nach gar nicht?

Was ich nicht gerne habe, ist dieses bewusste sich gehen lassen. Man drückt ja auch nach außen etwas aus. Und ein Mensch, der gut aussieht und sich wohlfühlt, macht andere froh.

Sie tragen eine sehr schöne Krawatte.

Ich liebe Krawatten und ich sammele sie. Ich trage übrigens auch im Sommer Krawatten. Sie sind ein Zeichen meines Stils. Und was bleibt uns Männern heute noch? Früher haben die Männer alles getragen: Juwelen, Perlen, bunte, fantasievolle Kleidung. Und heute? Eine Uhr, Manschettenknöpfe, vielleicht ein Ring. Von daher sind Krawatten eine wunderbare Erfindung.

Worauf legen Sie bei Ihren Anzügen Wert?

Meine Anzüge müssen immer eine Weste haben, da ich soviel mit mir herumtrage. Mein Handy kommt zum Beispiel in die Westentasche. Wichtig ist mir bei den Anzügen das ein wenig Abgetragene. Ein Mann sollte nicht von oben bis unten gestylt sein. Die Engländer haben das vorgemacht. Die Butler trugen Kleidung und Schuhe ein. Und damit die Taschen verbeult aussahen, wurden Ziegelsteine in die Taschen gesteckt.

Prinz Asfa-Wossen Asserate mit Siegelring und äthiopischen Manschettenknöpfen

Die Manschettenknöpfe wurden in Äthiopien nach einem Entwurf von Prinz Asserate gefertigt

Haben Sie eine Lieblingsfarbe?

Ja – und zwar ist es Anthrazit. Stellen Sie sich vor, Sie haben nur einen Anzug in Anthrazit und einen Blazer. Sie können den Anzug tragen oder die Hose mit dem Blazer kombinieren und sehen immer fantastisch aus. Dazu farbige oder karierte Hemden: Perfekt. Auch hier sind die Engländer Vorbild. Weil sie so konservativ bei ihren Anzügen sind, sind sie bei der Wahl der Hemden besonders farbenfroh.

Besitzen Sie nur anthrazitfarbene Anzüge?

Ich habe Anzüge in vielen Farben. Ich liebe Farben. Meine Lieblings-Jahreszeiten sind der Frühling und der Herbst. Dann fühle ich mich am wohlsten und auch die Wahl der Kleidung fällt leicht. Im Sommer ist es nicht so einfach, sich angemessen zu kleiden. Sehr schön finde ich für Männer weiße oder cremefarbene Anzüge. In den 50er Jahren war es Usus, sich so zu kleiden, dazu weiße Wildlederschuhe und ein Panamahut. Ich versuche auch, das Tragen von Hüten zu kultivieren, denn ein Hut macht die Garderobe komplett. Zum Glück werden heute wieder mehr Hüte getragen.

Welchen Stellenwert haben Schuhe für Sie?

Wissen Sie, ich bin ein großer Liebhaber des Handwerks und das Handwerk darf nicht sterben. Gerade Deutschland hat so eine traditionsreiche, großartige Handwerkskultur. Ich finde es sehr schade, dass die Schuhmacher es in Deutschland so schwer haben. Schuhe sind in diesem Land sehr schlecht angesehen. Die Deutschen sind bereit, Tausende von Euro in ein Auto zu stecken, denken aber nicht daran, 1000 Euro für ein Paar handwerklich hervorragend gemachter Schuhe auszugeben. Dabei sind die Füße ein so wichtiger Körperteil.

Wir verlieren leider überall Handwerker – auch in Afrika. Wäre es nicht wunderbar, wenn deutsche Handwerker Menschen in Marokko, Tunesien, Äthiopien, wo es sehr viel Leder gibt, das Schuhmacherhandwerk beibringen würden? Dann könnten Schuhe dort bestellt werden und wir bekämen Maßschuhe für die Hälfte des Preises.

Wie kleiden sich denn die Deutschen? Kann man das verallgemeinern?

Die jetzige Generation hat m.E. mehr Stil als meine Generation, ist auch im Allgemeinen strenger und konservativer. Diese Generation ist sehr stilbewusst und wehrt nicht wie wir – die 68er Generation – alles ab, was vorher war. Ich persönlich habe viel kritisiert, dass die 68er auch das Thema Manieren für überholt hielt. Aber als das geschah, gab es einfach viel Mief. Um den loszuwerden, haben die 68er alles was nach Patrimonium, nach Tradition roch, mit dem Mief aus dem Fenster geworfen. Daraus entstand eine Leere und Orientierungslosigkeit für die nachfolgende Generation.

Aber die Tatsache, dass Deutschland heute wieder in sich ruht, haben wir auch den 68ern zu verdanken. Denn Deutschland ist eines der wenigen Länder, dass sich seiner Vergangenheit gestellt hat. In so einer radikalen Art und Weise, das ist exemplarisch. Zum Vergleich: Nicht ein einziger italienischer Faschist ist für die Untaten in Äthiopien vor Gericht gekommen. Italien hat sich bis heute seiner Vergangenheit nicht gestellt. So wurde für Feldmarschall Graziani, den sog. Schlächter von Addis Abeba, vor kurzem in seiner Geburtsstadt ein Denkmal errichtet. Das passiert in Deutschland nicht und dazu haben die 68er einen großen Beitrag geleistet.

Auch für die Emanzipation haben die 68er viel getan.

Von der Emanzipation merkt man heute sehr wenig. Vor allem in den arabischen Ländern ist das frappierend. Die Mütter haben die Kopftücher mit Wonne weggeworfen. Die Töchter tragen sie heute wieder. Und sie rümpfen die Nase über ihre Eltern, die Hippies. Die junge Generation ist härter und so gesehen auch manierlicher als meine. Eines ist allerdings sicher: Es ist das Zeitalter der Frau. Denn sie schließen zum Beispiel die Schulen mit den besseren Noten ab. Allerdings dauert es sicherlich noch etwas, bis Männer und Frauen die gleiche Bezahlung bekommen, die gleichen Aufstiegschancen haben. Ich finde aber auch, dass eine Frau ihre weiblichen Qualitäten immer beibehalten sollte.

Sybille vom Lady-Blog im Interview mit Prinz Asfa-Wossen Asserate

Prinz Asfa-Wossen Asserate in der Skylobby des Gütersloher Theaters/Alle Fotos: buse-niemann-fotografie

Prinz Asfa-Wossen Asserate: Unternehmensberater in Afrika

Bei der anschließenden Lesung aus der beeindruckende Biografie von Haile Selassie, den Asfa-Wossen Asserate noch persönlich gekannt hat, wurde natürlich auch das Thema Afrika angesprochen. Asserate erinnerte daran, dass die Kontinente Europa und Afrika nur 16 Kilometer voneinander entfernt seien. Von Flüchtlingen könne man im übrigen nicht mehr sprechen. Es sei eine Völkerwanderung, die auf uns zukäme. In Afrika werde sich nichts ändern, solange die dortigen Diktatoren mit europäischen Steuergeldern unterstützt würden.

Asserate selber macht sich seit langem als Unternehmensberater in Afrika und im Nahen Osten stark und engagiert sich zudem für die Verbreitung der Kenntnisse über Äthiopien und seine traditionsreiche Vergangenheit in Deutschland. Außerdem hat er die erste äthiopische Menschenrechtsorganisation „Council for Civil Liberties in Ethiopia“ gegründet.

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1 Kommentar
  • Eva sagt:

    Ein sehr schönes Interview von einem Mann, der mich schon länger nicht nur aufgrund seines Stils beeindruckt.

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