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Stefanie von Wietersheim lebt seit acht Jahren auf dem Land in Niedersachsen sowie in der französischen Hauptstadt. Nach Wanderjahren in Passau, München und Toulouse hat sie sich für ein Leben mit zwei Extremen entschieden. Ihr großes Atelier im Nebengebäude eines Gutshofes im Braunschweiger Land ist der Ruhepunkt, in dem sie alle ihre Bücher schrieb. Der umgebaute ehemalige Schafstall mit den hohen Decken ist im Gegensatz zu ihrem sehr viel stärker eingerichteten Wohnzuhause ein ständiges Provisorium. Nur Blumen, Musik und guten Tee braucht Stefanie immer.
Liebe Stefanie, was macht Dein Atelier so besonders?
Es ist ein enorm großer Freiraum im wahrsten Sinne des Wortes: riesig viel Platz nur für mich, meine Gedanken, meine Projekte. Hier bin ich nicht Stefanie, Madame, Ehefrau, Mutter, hier bin ich Schreiberin. Einsiedlerin. Das tut so gut, gerade weil ich eine leidenschaftliche Menschenliebhaberin bin. Das früher von einem Maler genutzte Studio liegt vom Wohnhaus über einen Hof getrennt – also trete ich jeden Tag in ein anderes Leben, wenn ich die Tür im roten Vorflur aufschließe. Ich weiß, dass viele Frauen sich einen solchen Raum nur für sich wünschen. Ich habe mich für Frauen & ihre Refugien lange mit dem Thema „A room of ones’ own“ beschäftigt. Auch bei Lesungen treffe ich viele, die mir davon erzählen, wie sie versuchen, äußeren Raum für ihr Innenleben zu finden. Umso glücklicher bin ich, einen solchen Raum zu haben. Niemand stört mich hier oben im ersten Stock über dem Stall, mit Blick in die Bäume. Nur die Schafe unten blöken manchmal so laut, dass überraschte Interviewpartner am Telefon fragen: „Was war denn das?“.
Wie würdest Du Deinen Einrichtungsstil beschreiben?
Vielleicht Luxus-Bohème. Ich lebe hier mit Dingen, die irgendwie ihren Weg ins Atelier gefunden haben, manche haben sogar Asyl bekommen wie der historistisch-mühsame Thronsessel mit dem geschnitzten Männerkopf oder das alte Hermès-Schaufensterplakat vom Sperrmüll, das ich als Paravent benutze. Es ist gar nicht showy oder durchgestylt. Das Atelier ist eher eine Baustelle, ein experimenteller Platz, in dem meine Ideen zu Projekten werden. Ein Spielplatz. Ich will mir hier das Studentische auch mit Mitte 40 erhalten. Denn um zu schreiben, darf man nicht „zu“ und fertig sein. In unserem Wohnhaus ist es etwas eingerichteter, durchdachter. Mit besseren Möbeln, schönem Porzellan, Silber, gebügelten Tischdecken und solchen Dingen, ich bin da schon houseproud.
Woher beziehst Du Deine Möbel und Einrichtungsgegenstände?
Nach der Studentenzeit hat mich in Frankreich der Brocante-Virus befallen. Manche Schränke und Tische aus dem frühen 19. Jahrhundert haben wir von der Familie geerbt, denen versuche ich mit knallbunt bezogenen Sofas ihren Ernst zu nehmen, das tut diesen hübschen, aber etwas steifen Gesellen ganz gut. Auch neonfarbene Kerzen von „Cire Trudon“ Paris sehen super darauf aus. Sofas und Stühle von „Habitat“ und „Les Toiles de Mayenne“, Kissen von Pierre Frey. Sehr schöne fertig genähte Vorhänge oder Stores gibt es übrigens bei „Madura“ online zu kaufen, ich bin die totale Null beim Nähen. Tischdecken für den Alltag gerne auch vom „Cyrillus“ Onlineshop, für elegante Einladungen von „Beauvilliers“. Bücherregale am liebsten vom Schreiner. Schreiner sind eh was ganz Tolles! Aber man darf beim Einrichten nicht snobby sein. Ich habe gerade bei Ikea sechs Meter super Spiegel-Kleiderschränke mit Innenbeleuchtung gekauft.
Hast Du ein Lieblingsmöbelstück? Erzähle uns seine Geschichte!
Es sind vier hellblaue Directoire-Stühle mit antikisierendem Polsterbezug in schiefergrau, rot und taubenblau, die nicht im Atelier, sondern im Wohnhaus stehen. Die Geschichte dazu geht so: Als wir in Südfrankreich lebten, wollten wir eigentlich ein Auto kaufen. Vorher schauten wir bei einer Antiquitätenmesse vorbei, denn wir suchten einen Schrank. Am letzten Stand standen diese vier Fauteuils. Totale Verknalltheit! Ich setzte mich rein, blieb sitzen und sagte zu meinem Mann: „Die muss ich haben, und wenn ich kein Auto habe und zu Fuß gehe.“ Tatsächlich kauften wir sie dann, sie sind dann noch öfter mit umgezogen, und immer wenn ich sie sehen, könnte ich sie küssen. Manchmal stelle ich mir vor, dass ich eine uralte verschrumpelte arme Witwe bin, die alleine leben muss. Aber ich habe diese vier Stühle um einen Teetisch, Bücher, eine Kerze und eine Teekanne. Meine kleine mobile Saloninsel, auf der ich glücklich bin.
Bist Du „fertig“ eingerichtet oder stellst Du immer mal wieder alles um?
Im Atelier räume ich ständig um. Heftig. Nur der Schreibtisch bleibt immer vor dem Fenster, denn das Licht ist dort so gut. Ich bekomme nach fertigen Büchern meist so einen Rappel, dass ich alles von der Wand reiße, neue Stoffe hole, die Bücher ins Wohnhaus schleppe und neue bringe, den Teppich rauswerfe… Ich ziehe das Atelier aus und an. Wenn es Winter wird, kommen die roten und grünen Decken und poppige Kugeln, die ich auf eine alte graue Etagere dekoriere. Im Frühjahr ist es in den Farben von Macarons eingerichtet – und wenn mir alles zu viel ist, mache ich alles weiß. Im Wohnhaus habe ich gelernt, nur in homöopathischen Dosen umzuräumen, da es meinen armen Mann am Anfang unserer Ehe extrem verwirrte. Er kam einmal nach Hause und sagte: „Wo ist heute das Wohnzimmer?
Wo lässt Du Dich inspirieren?
In Paris. Bei Freundinnen. Und auf Reisen, da geht es mir immer um andere Farben und Muster. Ich habe ein Faible für Gemälde, in denen Interiors zu sehen sind, und ich suche mir bei Städtetrips immer Museen, in denen ich diese finde. Gerade war ich in Amsterdam und habe die holländischen Häuser des Goldenen Zeitalters fasziniert studiert. Die Kacheln, die Stoffe, die Gläser – alles kann man wunderschön gemalt entdecken. Und natürlich lese ich Interiorzeitschriften, gerne auch die englischen, französischen – neulich hatte ich tolle türkische in der Hand.
Was ist Dir bei Deiner Einrichtung wichtig?
Dass es persönlich ist. Warm und willkommend. Nicht wie in einem Showroom oder Hotel, so luxuriös es auch sein mag. Dass es herrlich duftet. Und dass immer etwas Köstliches zu essen bereitsteht: Teesandwiches im Salon, französische Schokoladen im Büro, Mandarinen mit Blättern in der Küche. So dass Menschen, die eintreten, nie wieder gehen möchten. Grundsätzliche liebe ich viel Licht, weiße Wände und Stoffe als klaren Hintergrund, dazu viele bunte Farben durch Kissen, Bilder, Bücher. Alte und neue Möbel. Und vor allem: Blumen, Blumen, Blumen in jedem Raum. Auch in Küche und Bad! Aber ich hasse Topfpflanzen, hier kommen nur Schnittblumen rein. Leute, die mich zum ersten Mal besuchen, fragen manchmal: „Hat hier heute jemand Geburtstag?“. Ich feiere halt jeden Tag Blumentag.
Ein Einrichtungstipp für unsere Leser?
Wegschmeißen! Viel Ausmisten! Declutter your home! Less is more! Viele Interiors haben das Problem, dass man die schönen Dinge nicht sieht, weil so viel Mist herumsteht, den niemand braucht und oder zu dem man keine Verbindung hat. Es ist spannend, einen Raum neu zu denken, indem man ihn gedanklich leert, eine Wand in der Fantasie vielleicht grün oder magenta malt und dann drei Dinge in Gedanken davor stellt. Nur drei Dinge! Was würdet Ihr da nehmen? Sie hinstellen wie auf einer Bühne. Von dieser Achtsamkeitsübung ausgehend kann man immer mehr Objekte hinzugeben. Wenn man einen Berg von Zeug hat, sollte man sich bei jedem Stück fragen: darf das mein Leben teilen? Macht es mein Leben besser und mich glücklicher? Probiert das mal: es macht frei, leicht und glücklich.
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Einfach nur wunderschön! Und auszumisten, das ist in der Tat der beste Tipp für so ein schönes Zuhause! Danke für diesen sehr inspirierenden Post.
Liebe Grüße, Rena
http://www.dressedwithsoul.com
Das Atelier ist einfach wunderschön und die perfekte Umgebung, um zu schreiben. Wirklich umwerfend.
Viele Grüße, Bianca
http://ladyandmum.blogspot.de
Gefällt mir wirklich richtig gut, gerade auch unter dem Aspekt des “bewusst Studentischen”. Mit viel Grundklarheit, Stilmix, Besonderem und Kunst kriegt man mich sowieso immer. :)
Beste Grüße
Kathrin
In Dein Atelier würde ich glatt einziehen! Auch wegen der Schafe im Untergeschoss :-)
Mit besten Grüßen
Marie W.
Erst Text – ohne Bilder- ausgedruckt & gelesen, dann gebadet – nun die Bilder auf mich wirken lassen – Zauberhaft!
… auch ich würde sehr gerne in dein Atelier einziehen – dann bräuchte ich allerdings noch ein weiteres zum malen, modellieren u.s.w. ;-) ;-) ;-)
Schlafen kann man da auch wie ich sehe, und mehr… lauschig, inspirierend. Entzückend entspannend! GlücksKind! Bravo!
Ich bin hin und weg, sowohl von Stefanie von Wietersheim und Ihrem Stil “zu erzählen”, als auch von den schönen Bildern Ihrer Wirkungsstätte. Ich habe mich gleich mal im Netz nach Ihren Büchern und Veröffentlichungen umgesehen und hatte einen sehr schönen Abend damit. Vielen Dank für diese (für mich) Neuentdeckung!!!
Hallo Stefanie, bin dankbar für den FASZ Artikel, der genau meine Sichtweise wiedergibt – suche schon seit längerem nach einem gepflegten Rahmen-Onlineshop. Irgendeine Empfehlung?
Lieben Dank! Und weiter schreiben
VG, Angelo
PS: hoffe, es wird mit (faktisch als non-Lady) verziehen, den Lady Blog zu okkupieren.