- Was mache ich jetzt eigentlich mit den schönen Urlaubsfotos? - 3. September 2024
- Bampton: Drehort von Downton Abbey Village in den Cotswolds - 1. September 2024
- Spätsommerliche Back-Session mit Emaille-Geschirr von Riess - 28. August 2024
Harris Tweed – der Stoff aus dem textile Träume gemacht sind? Meine definitiv! Seit Jahrhunderten werden Tweed-Stoffe traditionell im Nordosten Schottlands gefertigt und verkörpern das Vereinigte Königreich wie kaum etwas anderes. Pink-violettes Heidekraut, weite melierte Moorlandschaften und grünbemooste Hügel, dunkelbrauner Torf, weiße Gischt und stürmisches graublaues Meer, graues Gestein, gelber Ginster und bernsteinfarbener Whisky – die Farben Schottlands vereinen sich in Harris Tweed zu seiner schönsten Form! Wollt Ihr mehr erfahren? von Virginia
Harris Tweed: Einer der größten Schätze Schottlands
Aus dem Nordosten Schottlands, genauer gesagt von den äußeren Hebriden, kommt der beste Tweed der Welt: Harris Tweed! Gefertigt aus reiner Schurwolle von schottischen Schafen, von Hand gefärbt und gewebt, wärmend, wind- und wasserabweisend, atmungsaktiv, knitterfrei und nahezu unverwüstlich ist der hochwertige Wollstoff weit über Schottlands Grenzen hinaus hoch geschätzt und heiß begehrt. Mit häufigem Tragen wird aus dem etwas starren Gewebe ein weicher Stoff, der sich seinem Träger anpasst und nicht selten bis zu drei Menschenleben hält. Außergewöhnlich und nachhaltig! Die robusten Wollstoffe sind seit vielen Jahrhunderten untrennbar mit der schottischen Kultur verwoben und gehören zu den größten Schätzen die das Vereinigte Königreich zu bieten hat. Einst soll Tweed der Lieblingsstoff von Queen Victoria gewesen sein, unbestritten ist Tweedmode typisch für den englischen Country-Look und kaum aus dem klassischen Kleiderschrank wegzudenken. Trendpotenzial erhielt Harris Tweed spätestens 1964 als Sean Connery als James Bond (Goldfinger) im Harris-Tweed-Jacket über die Leinwand flimmerte.
Die typischen Muster wie Checks & Tartans (Karomuster) sowie Herringbone (Fischgrät) geben dem Tweed seinen unverwechselbaren Charakter und eignen sich für Kleidung wie für den Home-, Living- und Outdoor-Bereich//alle hier abgebildeten Produkte stammen von Harris Tweed Scotland, ausgenommen der Fischgrat-Blazer von THE BRITISH SHOP
Tweed ist nicht gleich Harris Tweed!
Tweed wird seit Hunderten von Jahren gefertigt und bereits um seine Bezeichnung ranken sich zahlreiche Mythen. Einer recht amüsanten Anekdote nach verdanken wir den Tweedstoff einem Zufall: Das schottische Wort für Twillstoff – eine sogenannte Köperbindung, die man am schräg verlaufenden Grat erkennen kann – ist „Tweel“. Ein Londoner Kaufmann um 1830 soll es als „Tweed“ gelesen haben, davon ausgehend dies sei die Handelsmarke des Stoffes und benannt nach dem gleichnamigen Fluss, der durch ein damals gut entwickeltes Gebiet der Textilindustrie in Schottland fließt. Somit pries er den wertvollen Wollstoff als „Tweed“ an und der Name blieb hängen. Als “Original Harris Tweed” darf, laut Gesetz, hingegen nur der handgewebte, streng kontrollierte Tweed der Äußeren Hebriden Schottlands bezeichnetet werden. Damit ist Harris Tweed der einzige Stoff weltweit, der durch ein eigenes Parlamentsgesetz geschützt sowie nach traditionellen Methoden in kommerziellen Mengen hergestellt wird. Ist das nicht wundervoll?
Good to know! Die Herkunftsbezeichnung ist seit 1910 von der Harris Tweed Authority geschützt und wird seit 1993 durch den Harris Tweed Act definiert: „Harris-Tweed ist ein von den Insulanern von Lewis, Harris, Uist und Barra in ihren Heimen handgewebter Stoff aus reiner Schurwolle, die auf den Äußeren Hebriden gefärbt und versponnen wurde.“ Jegliche Produkte, die aus Harris-Tweed gefertigt sind, werden mit einem Echtheitsetikett versehen, das als Markenzeichen den Orb, einen Reichsapfel, sowie häufig auch eine Seriennummer trägt.
Ein langer Weg bis zum fertigen Harris-Tweed
Bis man eine Bahn zertifizierten Tweed in den Händen hält vergeht einige Zeit! Der Produktionsprozess beginnt mit der Schafschur und dem Waschen und Färben der Wolle vor dem Spinnen. Dadurch können eine Vielzahl von Farben in das Garn gemischt werden, wodurch Stoffe von großer Tiefe und Komplexität entstehen. Erst danach erfolgt das Verspinnen und Aufwickeln der Wolle zu hochwertigen und langlebigen Garnen. Die fertigen Garnrollen werden den Webern zur Verfügung gestellt, die daraus meterweise Tweed fertigen. Im Na Gearrannan Blackhouse Village, einem gut erhaltenen Dorf aus der Crofter („Kleinbauern“)-Zeit direkt an der schottischen Küste haben wir uns angesehen, wie der Harris Tweed produziert wird. Das Dorf selbst ist bereits wirklich sehenswert: gelegen auf der schottischen Insel Lewis, ist es heute ein bewohnbares Museum, dass ein typisches Leben der Inselbewohner um 1900 herum zeigt sowie buchbare Unterkünfte für all jene anbietet, die noch tiefer in die Jahrhunderte eintauchen möchten.
Im Museumsdorf Na Gearrannan Blackhouse Village auf der Hebriden-Insel Lewis könnt Ihr Euch ansehen, wie Harris Tweed noch heute hergestellt wird; Der größte Teil des Harris Tweeds wird tatsächlich aber über die letzten drei verbliebenen Mills abgewickelt: Harris Tweed Scotland, Harris Tweed Hebrides und die Carloway Mill
Charakteristisch für Harris-Tweed ist sein hohes Flächengewicht von 560g/m, sowie die Verwendung von melierten Garnen und Farben/Mustern, welche sich an der schottischen Landschaft orientieren
Na Gearrannan Blackhouse Village: Winzige Webstuben
In einer winzigen Webstube mit niedrigen Decken, schummriger Beleuchtung und einem lauten Ungetüm von Webstuhl wird das wollige Gold produziert. Das Besondere: Bis heute wird der Originale Harris-Tweed auf gut hundert Jahre alten mechanischen Trittwebstühlen von Hand gewebt! Die Geräuschkulisse ist sagenhaft – nicht umsonst liegen für den Weber ein Paar Ohrenschützer bereit. Ein wenig sieht es aus wie Fahrradfahren, wenn die Füße des Webers abwechselnd kräftig in die Pedale treten. Statt Rädern werden jedoch Fadenspulen und Webschiffchen hin und hergeschossen und man kann dabei zusehen, wie langsam eine Reihe Tweed nach der anderen entsteht. Nach dem Einfädeln der Garne in die Webstühle ist es erfahrenen Webern möglich, bis zu vier Meter Tweed pro Stunde zu weben. Nach dem Weben werden die fertigen Ballen Meterware auf kleinste Webfehler hin überprüft, eventuelle Verunreinigungen wie Staub, Öl von den Webstühlen oder Schmutz unter Verwendung von mildem Seifenwasser und Soda entfernt und der Stoff gewalkt, gewaschen, getrocknet, abgedämpft und gemangelt. Erst die Kontrolle und Zertifizierung des Stoffes durch unabhängige Experten machen den Tweed zu echtem Harris-Tweed!
Früher dauerte allein das Walken, durch das der Stoff verdichtet und undurchlässig gemacht wird, einen ganzen Tag, den in der Regel Frauen verrichteten; begleitet wurde es von eingängigen Working-Songs, die dem Zeitvertreib und gleichmäßigen Walken dienten – vielleicht erinnert sich ja hier die eine oder andere an eine Outlander-Szene?
PS: Momentan könnt Ihr Euch eine tolle Reportage über Harris-Tweed in der ARTE-Mediathek ansehen
- Tweed Time: Das Herbstbuch von Theresa Baumgärtner
- Araminta Campbell: Tweed-Textildesignerin aus Schottland
- THE BRITISH SHOP: Meine Lieblingsstücke im Herbst 2023
- Die Lady-Frage: Wie kombiniert man einen Tweed-Rock?