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Der Journalist und Stilberater Florian Severin befasst sich mit vielen Themen, denen wir uns hier auf dem Lady-Blog ebenfalls widmen – allerdings aus der männlichen Perspektive. Nach einem Studium der Germanistik und Katholischen Theologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München beschäftigt er sich in Publikationen wie dem Stilmagazin, dem TWEED oder der Passauer Neuen Presse vor allem mit den Themen Mode, Stil und Genuss. Daneben hält der Niederbayer Vorträge und Workshops über klassische Herrenmode und veröffentlichte vor kurzem seinen ersten Styleguide Was Mann trägt. Ich habe mit ihm über Stilvorbilder und die moderne Lady gesprochen.
Wann hast Du Deine Leidenschaft für klassische Mode feststellen können?
Das war schon zu Schulzeiten. Damals war ich an der Geschichte großer Modedesigner interessiert. Allerdings fand ich deren aktuelle Produkte häufig qualitativ eher enttäuschend und anonym – gerade im Männersegment. Nach einigem Suchen stieß ich dann auf mehr und mehr Maßschneider, die noch heute von Hand in Einzelarbeit Anzüge für ihre Kunden nähen. Diese Faszination, die von handwerklicher Kleidung ausgeht, lässt mich bis heute nicht los.
Gibt es die typische Lady bzw. den typischen Gentleman noch? Und wenn ja, wie hat sich das Bild im Laufe der Zeit verändert?
Wenn es eine typische Lady oder einen typischen Gentleman gibt, haben deren Erkennungszeichen sicher nichts mit Kleidung zu tun. Wenn man alte Fotos oder Filme sieht, denkt man ja häufig, dass „früher, in der guten alten Zeit“ ein gut gekleideter Mann auch sicher ein Gentleman war. Ich halte das für Unsinn. Kleider machen nicht Leute, sie machen angezogen. Der Rest ist Geisteshaltung. Umgekehrt ergibt das ganze aber durchaus Sinn: Ein Gentleman ist bestimmt auch gut angezogen – im Rahmen seiner Idee davon.
Was zeichnet Deines Erachtens nach eine moderne Lady aus?
Sie sollte natürlich gebildet sein und sich zu benehmen wissen. Daraus lässt sich dann eigentlich alles herleiten: Eine spannende Gesprächspartnerin sein; niemandem unangenehm sein; wissen, wann man auch mal nichts sagen muss… Die Liste ließe sich endlos fortsetzen, aber letztendlich läuft es auf das hinaus, was man auch von einem modernen Gentleman erwarten sollte: Bildung und Benehmen.
Wie viel Wert darf ein Mann auf sein Äußeres legen, ohne an „Männlichkeit“ zu verlieren?
Um wieder auf den Unterschied zwischen äußerlichem Kennzeichen und innerer Haltung zurückzukommen: Eitel ist ganz sicher jeder Mensch – der eine mehr, der andere weniger. Wie sich das dann äußerlich auswirkt, steht auf einem anderen Blatt. Ohnehin sind die Ideen davon, was einen Mann äußerlich zum Mann macht, ja stark der Mode unterworfen. Aus Respekt vor seiner Umwelt sollte ein Mann sich aber Mühe geben, so gut wie möglich auszusehen, ohne sich dabei zu verkrampfen oder zu verbiegen.
Das liebste Stück in Deinem Kleiderschrank?
Mein erstes Maßhemd von Hirtl. Es hat schon viele Jahre auf dem Buckel, Kragen und Manschetten wurden schon mehrfach erneuert. Es passt zu allem und ist unverwüstlich.
Hast Du ein Stilvorbild? Und was ist überhaupt guter Stil?
Am ehesten wäre das mein Großvater. Er war beileibe nicht wohlhabend, aber im Rahmen seiner Möglichkeiten immer tadellos gekleidet. Seine Schuhe waren beispielsweise immer gut geputzt. Zudem war er ein herzensguter Mensch. Guter Stil ist für mich die Summe aus Bildung und kulturellem Gepräge – also eine Geisteshaltung oder das, was andere davon mitbekommen. Das trifft auf Mode zu, aber auch auf Musik, Kochen oder Autofahren.
Sobald man von Kleiderregeln oder -vorschriften spricht, stößt man bei vielen auf Widerstand und Kritik. Warum sind Dresscodes trotzdem sinnvoll?
Weil es ohne eben nicht geht, ganz einfach. Dresscodes sind ja keine strengen Regeln, deren Nichteinhaltung geahndet würde. Es sind Vereinbarungen, Abstrakte vom Erprobten. Denk‘ an Verkehrsregeln oder Rechtschreibung: Niemand käme auf die Idee, eines davon zu ignorieren – weil es mit diesen Regeln einfach reibungsloser funktioniert. Wenn man über einfache Fragen wie Vorfahrt, Kleinschreibung oder Abendgarderobe nicht immer wieder neu nachdenken muss, bleibt Raum für wirklich Wichtiges. Und nichts davon ist in Stein gemeißelt, Dresscodes entwickeln sich ja ständig weiter. Früher hätte zum Beispiel niemand braune Raulederschuhe zum Businessanzug getragen – heute ist das normal.
Ist der Kleidungsstil der Deutschen wirklich so schlecht wie sein Ruf? Können wir nicht auf die lange Schneidertradition, die vermehrte Investition in Bio-Qualitäten oder die kleinen aufstrebenden Labels ein bisschen stolz sein?
Die Deutschen haben ganz einfach Angst davor, zu gut auszusehen. Diese Mentalität von „Reih‘ Dich ein, fall‘ bloß nicht auf“ sehe ich in wenigen Nationen so ausgeprägt wie in Deutschland. Das passt gut zu Deiner Frage nach Eitelkeit. In Deutschland ist Eitelkeit grundsätzlich verdächtig. Und genau deswegen ist man hier nicht gerne auf Dinge stolz.
Kannst Du in der Gesellschaft einen Wandel zu mehr Wertschätzung für Kleidung spüren?
Ja und nein. Momentan sehe ich gerade in unserer Generation wieder mehr Interesse an gut gemachtem – auch Kleidung. Die Frage ist, wie lange dieser Trend anhält und ob viel davon nicht auch einfach dem Einfluss von Serien wie Mad Men oder Downton Abbey zuzuschreiben ist. So oder so – ich freue mich, wenn sich wieder Menschen für gute Kleidung begeistern!
Bild-Credits: Wolfgang Heinz
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Schönes Interview. Sein Buch „Was Mann trägt“ habe ich gerade Montag in meinem Blog vorstellt. Sehr lesenswert!
Liebe Grüße
Ines
Eine moderne Lady soll „niemandem unangenehm sein“ . Doch, manchmal muss frau sogar unangenehm sein- und das ist auch richtig so!
ich pflichte da Jessie bei- eine Lady ist kein devotes Damchen. Leider herrscht dieses Missverständnis immer noch sehr oft. Wenn es nötig ist, auf einen Missstand aufmerksam zu machen oder seine eigenen Interessen durchzusetzen, kann man es manchmal nicht vermeiden, jemandem unangenehm zu sein.