Der Lady-Blog liest: Albrights Erinnerungen an Prag
Dani

Madeleine Albright war als erste Frau in diesem Amt von 1997 bis 2001 Außenministerin der USA. Geboren wurde sie jedoch 1937 in Prag als Jüdin Marie Jana Korbelová. Ihr Vater Josef Korbel war ein tschechoslowakischer Diplomat, der nach dem Einmarsch der Nationalsozialisten in Prag mit einem Teil seiner Familie nach London floh. Die kleine Madelena war damals drei Jahre alt. Erst 1996, kurz vor ihrem Antritt als Außenministerin, erfuhr sie von ihren jüdischen Wurzeln und ihren ermordeten Verwandten. Worüber ihre Eltern nie mit ihr sprachen, hat die Politikerin jetzt zu einer bewegenden Autobiographie verarbeitet.

1945 war es endlich soweit: An der Seite der Exilregierung von Edvard Beneš kehrte Josef Korbel mit Frau und Kind von London nach Prag zurück. Doch lange hielt es die Familie nicht in der Heimatstadt. Schon im Herbst desselben Jahres wurde Korbel zum tschechoslowakischen Botschafter in Belgrad ernannt und zog mit seinen Lieben dorthin. Drei Jahre später war auch diese Zeit vorbei: Nach dem kommunistischen Staatsstreich in der Tschechoslowakei musste die Familie um politisches Asyl in den Vereinigten Staaten bitten. Wieder einmal war Marie Korbelová heimatlos, bis sie 1957 die amerikanische Staatsbürgerschaft erhielt. Aufgedeckt von einem Journalisten erfuhr Albright jedoch erst 1996, mit 58 Jahren, dass sie aus einer jüdischen Familie stammt und das ein Großteil ihrer Angehörigen im Holocaust ermordet wurde.

Mein Amt als US-Außenministerin trat ich im Alter von 59 Jahren an. Damals war ich überzeugt, dass ich alles Wissenswerte über meine Vergangenheit bereits wüsste – das ich „mein Volk“ und die Geschichte meiner Heimat kannte. Ich war mir so sicher, dass ich es nicht für notwendig hielt, Fragen zu stellen. Andere mochten wegen ihrer Identität Zweifel haben, ich hatte keine. Noch nie. Ich wusste Bescheid. Dabei wusste ich gar nichts.

Seitdem versucht sie zu verstehen, was diese Vergangenheit für sie selbst bedeutet und wie all das hatte passieren können. Für das sehr persönliche Buch Winter in Prag – Erinnerungen an meine Kindheit im Krieg macht sich Madeleine Albright mit aufwändigen Recherchen auf die Suche nach den Wurzeln ihrer Familie. Sie liest in den Aufzeichnungen ihres Vaters wie Hitler den Konflikt zwischen Tschechen und Deutschen schürte, so lange mit Kriegsdrohungen provoziert, bis die Franzosen und Engländer ins Münchner Abkommen einwilligten. Sie erfährt, wie die Allierten kampflos das Feld räumten und Hitler ihre geliebte Heimat überließen.

 Die Tschechoslowakische Republik war ein Musterbeispiel für einen humanen Staat, bis sie von Adolf Hilter zerschlagen und (nach einer kurzen Phase des Wiederaufblühens nach dem Krieg) von Josef Stalins Helfershelfern wiederum vernichtet wurde.

Albright besucht die alte Wohnung, in der ihre Eltern nach der Flucht in London lebten. Sie besichtigt den Keller, in dem sie als kleines Mädchen auf die Entwarnung des Bombenalarms deutscher Bomber wartete. Sie schreibt auch von den Briefen ihrer Angehörigen, die in der Heimat zurückgeblieben waren und den Kindertransporten, die tausenden Kindern, unter anderem ihrer Cousine Dáša, das Leben retteten, aber zu dem Preis, dass die Eltern zurückblieben. Sie sucht die Grabstätte der Großmutter in Theresienstadt und versucht zu ergründen, wie sich die tschechischen Juden in die Geschichte der Juden fügen. Albrights Eltern jedenfalls waren sehr weltlich orientierte Demokraten, säkulare Juden, die zu einer Generation gehörten, die sich als tschechische Patrioten verstanden.

Meine Eltern hinterließen mir ein unschätzbares Vermächtnis: eine Reihe tiefer Überzeugungen, was Freiheit, Grundrechte und Rechtsstaatlichkeit angeht. Darüber hinaus erbte ich eine Liebe zu zwei Ländern.

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Das 500 Seiten starke Buch ist eine detail- und lehrreiche Lektüre ohne zu belehren. Madeleine Albright beschreibt Gewalt und Tod, aber auch Anstand und den Willen zum Überleben. Sie versucht herauszufinden, warum manche Menschen in der gleichen Situation böse oder feige handeln, während andere gute und mutige Taten vollbringen. Man erfährt viel über die wechselvolle und häufig leidgetragene Geschichte vom stolzen, kreativen und demokratischen Land Tschechien. Ein Land, mit dem ich mich persönlich bisher noch nicht sehr intensiv auseinandergestetzt hatte. Albright erzählt große Geschichte und verwebt diese mit kleinen, persönlichen Geschichten. Dadurch wird deutlich, wie sie wurde wer sie ist. Leseempfehlung!

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2 Kommentare
  • groschenroman sagt:

    Das hört sich ja toll an. Madeleine Albright ist ja eine beeindruckende Frau und wie Du das Buch beschreibst, klingt es wirklich lesenswert.

  • Dagmar sagt:

    Das Buch klingt sehr interessant und lesenswert, Madeleine Albright muss eine wirklich aufrechte und nachdenkliche Frau sein. Ja, warum handeln manche Menschen in der gleichen Situation böse und feige und andere mutig und gut….Bei dem Gedanken bekommt man doch bis heute eine Gänsehaut.

    Danke für die gute Empfehlung. Ich werde es gleich morgen kaufen.

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