Sybilles Bücherschau: Bunte Lektüre für den Sommer
Sybille

Den Sommer habe ich genutzt, um einige der aktuellen Neuerscheinungen zu lesen. Meine Lektüre-Auswahl ist bunt und total unterschiedlich: Von der Lee-Miller-Biografie „Immer lieber woanders hin“ über das Sachbuch „Geliebte Sachen“, das sich mit Nachhaltigkeit in der Mode beschäftigt, bis hin zu großartigen Wiederentdeckungen aus den 20ern und 30ern wie „Den Teufel im Leib“ oder „Ein Mädchen mit Prokura“ ist für jeden etwas dabei! von Sybille

1. Raymond Radiguet: Den Teufel im Leib

Der Roman „Den Teufel im Leib“ war bei seinem Erscheinen ein Skandal und besticht auch heute noch durch seine Radikalität, den psychologischen Scharfblick und die moderne Sprache. Man vermutet nicht, dass ein Siebzehnjähriger diesen geschrieben hat. Der 1923 veröffentlichte Roman blieb das einzige Werk von Raymond Radiguet, der im Erscheinungsjahr seines Werks 20-jährig an Typhus starb. Radiguet galt als frühreifes Genie und Künstler wie Jean Cocteau oder Paul Valéry waren Fans. Die Geschichte dreht sich um eine skandalöse Liebe zwischen einem Minderjährigen und einer verheirateten Frau, deren Mann als Soldat an der Front ist. Die Ausgabe des Pendragon Verlages wird ergänzt durch Zeichnungen und Texten von Jean Cocteau, Gedichten und Briefen von Raymond Radiguet sowie einem Portraitfoto von Man Ray. „Den Teufel im Leib“ ist bei Pendragon erschienen und kostet 22 Euro.

2. Antony Penrose: Immer lieber woanders hin

Sie war Supermodel und Titelgesicht der Vogue, Geliebte von Man Ray, Muse der Surrealisten und vor allem eine begnadete Fotografin! Ihre Bilder von der Befreiung der Konzentrationslager Buchenwald und Dachau sowie ihr Selbstporträt in Hitlers Badewanne gingen um die Welt. Dass sie am Ende ihres Lebens auch noch Köchin und Feinschmeckerin war, das wusste ich nicht: Lee Miller (1907-1977) hatte viele Leben. Als sie 1977 im Alter von 70 Jahren auf ihrer Farm in Sussex an Krebs starb, wusste nicht einmal ihr Sohn Antony, was seine Mutter geleistet hatte. Ihre Schwiegertochter entdeckte auf dem Dachboden zufällig ihren Nachlass. Ihr Sohn Antony Pentrose versucht in diesem Buch seiner Mutter ein wenig näher zu kommen. Man erlebt dabei eine Frau, die nicht wirklich sympathisch scheint, ruhelos ist und die sich immer wieder neu erfindet. Ergänzt durch 116 Fotografien ist dieses Werk ein guter Einstieg in Leben und Werk von Lee Miller. „Immer lieber woanders hin“ ist bei Suhrkamp erschienen und kostet 29 Euro.

Das Bucerius Kunstforum in Hamburg widmet Lee Miller aktuell eine Ausstellung, wir haben sie hier empfohlen

Lee Miller Biografie von Antony Penrose: Immer lieber woanders hin

3. Editha Weber: Gartenkünstlerinnen

Gertrude Jekyll, Vita Sackville-West und Constance Spry waren drei mutige und unkonventionelle Frauen, die einen Ehrenplatz in der britischen Gartenkultur einnehmen. Editha Weber zeigt, wie sehr die gegenwärtige Gartenkultur und Floristik von der innovativen Gestaltungsfreude der drei Frauen geprägt wurde. Ihre Arbeiten werden bis heute gewürdigt, gelesen, rezipiert. Jede der drei Gartenkünstlerinnen hat auf ihre Weise gärtnerisch Maßstäbe gesetzt. Besonders interessant fand ich Constance Spry, von der ich bis dahin nichts gehört hatte. Sie hat die Floristik laut Editha Weber nicht nur neu erfunden, sondern mit Originalität und unkonventionelle Kreationen auch demokratisiert. In ihren Arrangements kombinierte sie klassische Blüten mit wenig geschätzten und wilden Blumen nach den Prinzipien: saisonal, natürlich und frei von einschränkenden Traditionen. Auch David Austin war von ihr begeistert. Der britische Züchter ehrte Constance Spry, die seine Leidenschaft für Alte Rosen teilte, mit seiner ersten Schöpfung 1961: Die Rose „Constance Spry“. „Gartenkünstlerinnen“ ist bei Ebersbach & Simon erschienen und kostet 18,99 Euro.

4. Orsola de Castro: Geliebte Sachen

Der Schrank ist voll, die Hälfte kaputt und beim Gang zum überquellenden Altkleidercontainer ist das einzig Nachhaltige das schlechte Gewissen. Dabei kann uns nachhaltige Kleidung glücklicher machen, das wissen wir hier auf dem Blog ja schon lange. Designerin und Aktivistin Orsola De Castro zeigt in „Geliebte Sachen“ wie Mode und Nachhaltigkeit sich bestens ergänzen und gibt praktische Tipps zu Auswahl und Pflege einer zeitlos schönen Garderobe, die viele Jahre Freude macht. Dabei schreckt sie auch nicht davor zurück, Löcher mit Perlen oder Pailletten zu verzieren und damit besonders hervorzuheben. Dank gründlicher Recherchen in der Bekleidungsindustrie führt uns de Castro außerdem die verborgenen Kosten scheinbar günstiger Mode vor Augen und zeigt mit ihrer persönlichen Geschichte auf sympathisch undogmatische Art, wie die Welt jeden Tag ein bisschen besser werden kann – auch im eigenen Kleiderschrank. „Geliebte Sachen“ ist im Verlag Dörlemann erschienen und kostet 14,99 Euro.

Buch über nachhaltige Mode von Orsola de Castro: Geliebte Sachen

5. Christa Anita Brück: Ein Mädchen mit Prokura

„Ein Mädchen mit Prokura“ ist ein Klassiker der 1930er-Jahre-Literatur und das zweite Buch der Autorin Christa Jaab, die unter dem Pseudonym Christa Anita Brück schrieb. Der Roman spielt im Berlin des Jahres 1931. Thea Iken ist Prokuristin im Bankhaus Brüggemann Sohn. Sie ist loyal, arbeitet viel und genießt das Vertrauen des Bankdirektors, dem sie freundschaftlich verbunden ist – für seinen jugendlichen Sohn ist sie eine Art Ersatzmutter. Den übrigen Angestellten ist sie ein Dorn im Auge oder bestenfalls ein Rätsel, denn sie gibt wenig von sich preis. Die aufkommende Bankenkrise versetzt Thea und ihre Kollegen wie den Rest der Welt in Aufruhr. Im Mittelpunkt des Buches steht der Arbeitsalltag in der Bank, bis ein Mord passiert, nach dem die Handlung in den Gerichtssaal schwenkt, wo man mit Spannung den Prozess verfolgt, der Thea gemacht wird. Denn sie soll ihren Chef ermordet haben. Geschichten um die Schicksale von Ladenmädchen oder einfachen Angestellten waren gegen Ende der Weimarer Republik ein beliebtes Thema. Sie geben die stressige Realität vieler angestellter Frauen unverstellt wieder und auch „Ein Mädchen mit Prokura“ wirkt mit der wirklichkeitsnahen Darstellung der Arbeitswelt sehr modern. Eine lesenswerte Wiederentdeckung! „Ein Mädchen mit Prokura“ ist bei Rowohlt erschienen und kostet 15 Euro.

6. Michiko Aoyama: Frau Komachi empfiehlt ein Buch

Von meiner Japan-Obsession habe ich hier ja schon öfter erzählt. Der japanische Bestseller „Frau Komachi empfiehlt ein Buch“ ist jetzt auf Deutsch erschienen und musste natürlich ebenfalls auf meine Sommer-Leseliste! Erzählt werden fünf unterschiedliche Geschichten von fünf Schicksalen und Personen. Ihr Weg führt sie allesamt in die Bibliothek zu Frau Komachi, die die verborgenen Wünsche dieser Menschen erkennt und ihnen das genau passende Buch empfiehlt. Die Lektüre entpuppt sich als Katalysator für eine andere Denkweise und damit finden alle einen Weg aus ihrer Lebenskrise. Das ist fein erzählt und, wie ich finde, sehr, sehr japanisch. Alle sind sehr höflich und zurückhaltend, auch wenn die aktuelle Lebens- und Arbeitssituation sie sehr quält. Das wirkt auf deutsche Leserinnen und Leser vielleicht etwas befremdlich, aber ich habe einiges über die Denkweise und den Umgang der Japanerinnen und Japaner miteinander gelernt. „Frau Komachi empfiehlt ein Buch“ ist bei Kindler erschienen und kostet 22 Euro.

Japan-Buch von Michiko Aoyama: Frau Komachi empfiehlt ein Buch

Welche Sommer-Lektüre lest Ihr denn gerade? Sachbuch, Roman? Habt Ihr eine Empfehlung für uns?

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